Papst Franziskus anlässlich der Koreareise 2014 © Foto: Korea.net

Öko-Enzyklika: Papst ruft Welt zu fundamentalem Umdenken auf - "Über die Sorge für das gemeinsame Haus"

Vatikanstadt | 18.06.2015 | KAP/APD | Catholica

Am 18. Juni hat Papst Franziskus im Vatikan die Enzyklika "Laudato si" veröffentlicht. In diesem Rundschreiben an die römisch-katholischen Bischöfe und die Kirche schreibt der Papst, dass die Reduzierung der Umweltverschmutzung und die Bekämpfung der Armut zusammen gehören. Er plädiert für "ganzheitliche Ökologie", "um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde". Es gehe „um die Verschränkung der Problematik Umwelt und Entwicklung“ und nicht nur um eine „Umwelt oder Klimaenzyklika“, schreibt Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz in einer Würdigung.

Die Welt steht vor grundlegenden Zukunftsfragen, die keinen Aufschub mehr dulden und die gemeinsames internationales solidarisches Handeln erfordern: Das macht Papst Franziskus mit seiner neuen Öko-Enzyklika "Laudato si" deutlich. Mit den herrschenden Maximen eines rein technologischen Fortschrittsglaubens, gepaart mit einem rein auf Gewinn ausgelegten Wirtschaftssystem und Moralvorstellungen, wonach sich jeder selbst der Nächste ist, fährt die Menschheit die Welt und sich selbst an die Wand, so zusammenfassend die Warnung des Papstes. Laut Kathpress KAP ruft er die Weltgemeinschaft zu einem fundamentalen Umdenken und jeden Einzelnen zu einem umweltbewussten und nachhaltigen Lebensstil auf.

Die zweite Enzyklika von Franziskus trägt den Untertitel "Über die Sorge für das gemeinsame Haus" und umfasst rund 220 Seiten. Zum ersten Mal stellt ein Papst damit ökologische Fragen in den Mittelpunkt eines so verbindlichen päpstlichen Dokuments. Franziskus wendet sich dabei zugleich an "alle Menschen guten Willens".

Lösung liegt in "Human-Ökologie"
Nach Angaben von Kathpress lässt der Papst kein gutes Haar an den internationalen Klimakonferenzen. Die Erfolge seien "sehr spärlich". Und auch aus der Finanzkrise habe die Welt nichts gelernt. Die Politik dürfe sich nicht länger dem Diktat der Wirtschaft unterwerfen, sie müsse sich aber auch selbst aus den Vorgaben rein kurzfristiger Perspektiven befreien und endlich über "armselige Reden" hinauskommen. Eindeutig spreche sich der Papst auch für starke internationale Institutionen mit Sanktionsmöglichkeiten aus, um die Reduzierung der Umweltverschmutzung bei gleichzeitiger Bekämpfung von Armut in Angriff nehmen zu können, so KAP. Dass es ein fundamentales Umdenken brauche, verdeutliche der Papst ausserdem mit seiner Kritik am weltweiten Handel mit Emmissionszertifikaten. Dieses System bringe keine Lösung mit sich sondern verbleibe in einer Wirtschaftslogik, die am Klimawandel mitschuldig sei.

Klage der Armen ebenso hören wie die Klage der Erde
Franziskus spricht laut Kathpress von einer einzigen, umfassenden sozio-ökologischen Krise: Umweltschutz, Armutsbekämpfung und der Einsatz für Menschenwürde gehörten untrennbar zusammen. Ein wirklich ökologischer Lösungsansatz sei deshalb immer auch ein sozialer Ansatz, "der die Gerechtigkeit in die Umweltdiskussionen aufnehmen muss, um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde". Nicht zuletzt, weil von der Öko-Krise die Armen am schlimmsten betroffen seien. Die Lösung könne deshalb für den Papst nur in einer "ganzheitlichen Ökologie" oder "Human-Ökologie" liegen. Das bedeutet aber etwa auch: Wer für die Bewahrung der Natur eintritt, könne deshalb nicht zugleich für Abtreibung oder Experimente mit lebenden menschlichen Embryonen sein.

Klimawandel und Wasserknappheit
Franziskus behandelt laut der katholischen Presseagentur in sechs Kapiteln auf rund 220 Seiten viele einzelne Aspekte der gegenwärtigen ökologischen und sozialen Krise, etwa wenn es um Umweltverschmutzung, Klimawandel, die Wasserfrage oder die Verschlechterung der Lebensqualität und den sozialen Niedergang eines grossen Teils der Weltbevölkerung geht. Wörtlich schreibt der Papst etwa: "Die Erde, unser Haus, scheint sich immer mehr in eine unermessliche Mülldeponie zu verwandeln."

Der Klimawandel ist für Franziskus ein wissenschaftlich belegtes Faktum; der Wassermangel ein zentrales Thema, für das er deutliche Worte findet: "Der Zugang zu sicherem Trinkwasser ist ein grundlegendes, fundamentales und allgemeines Menschenrecht, weil es für das Überleben der Menschen ausschlaggebend und daher die Bedingung für die Ausübung der anderen Menschenrechte ist". Den Armen den Zugang zu Wasser vorzuenthalten heisse, "ihnen das Recht auf Leben zu verweigern, das in ihrer unveräusserlichen Würde verankert ist". Eine Lösung des Problems der Armut liege sicher nicht in der Begrenzung der Geburtenrate, sondern darin, dem "extremen und selektiven Konsumverhalten" eines kleinen Teils der Weltbevölkerung entgegenzuwirken, betont der Papst.

Der lateinamerikanische Papst sorgt sich laut Kathpress auch um die Pflege der kulturellen Reichtümer der Menschheit und um die indigenen Völker. Auch die Sorge um diese Völker sei Teil einer ganzheitlichen Ökologie, wie auch die Verbesserung der Lebensqualitäten eines Grossteils der Weltbevölkerung.

"Lüge des grenzenlosen Wachstums"
Papst Franziskus analysiere nicht nur ausführlich die Phänomene der gegenwärtigen ökologischen und sozialen Krise, er suche vor allem auch nach den diesen Phänomen zugrundeliegenden menschlichen Ursachen, schreibt KAP. Er orte diese vor allem in einem weltweit vorherrschenden "technokratischen Paradigma" und einer falschen Sicht der Stellung des Menschen - "fehlgeleiteter Anthropozentrismus" - und seines Handelns in der Welt (Relativismus).

Der Papst spreche kritisch von der "Globalisierung des technokratischen Paradigmas". Dieses dominante technokratische Paradigma nehme die gesamte Realität als Objekt wahr, die man grenzenlos manipulieren kann. Von da aus gelange man leicht zur Idee eines unendlichen und grenzenlosen Wachstums. "Dieses Wachstum setzt aber die Lüge bezüglich der unbegrenzten Verfügbarkeit der Güter des Planeten voraus, die dazu führt, ihn bis zur Grenze und darüber hinaus auszupressen", schreibt der Papst.

Fehlgeleiteter Anthropozentrismus
Der moderne fehlgeleitete Anthropozentrismus akzeptiere nicht die Natur als Norm, sondern er stelle die technische Vernunft über die Wirklichkeit, kritisiert der Papst: "Wenn man schon in der eigenen Wirklichkeit den Wert eines Armen, eines menschlichen Embryos, einer Person mit Behinderung - um nur einige Beispiele anzuführen - nicht erkennt, wird man schwerlich die Schreie der Natur selbst hören." Alles sei schliesslich miteinander verbunden. Als Konsequenz dieses fehlgeleiteten Anthropozentrismus ortet der Papst einen praktischen Relativismus, bei dem alles irrelevant wird, "wenn es nicht den unmittelbaren eigenen Interessen dient".

Ganzheitliche Ökologie und Gemeinwohl
Dem hält der Papst unmissverständlich das Prinzip des Gemeinwohls entgegen: Ganzheitliche Ökologie oder Humanökologie "ist nicht von dem Begriff des Gemeinwohls zu trennen". Dies beinhalte unter gegenwärtigen Bedingungen vor allem auch einen "Appell zur Solidarität" und zu einer "vorrangigen Option für die Ärmsten". Das Gemeinwohl betreffe aber nicht nur die gegenwärtige Generation sondern ebenso die zukünftigen Generationen, macht Franziskus deutlich und er stellt die Frage: "Welche Art von Welt wollen wir denen überlassen, die nach uns kommen, den Kindern, die gerade aufwachsen?"

Politik und Wirtschaft im Dienst des Lebens
Der Politik kommt nach Ansicht des Papstes eine entscheidende Rolle zu: "Wir brauchen eine Politik, deren Denken einen weiten Horizont umfasst und die einem neuen, ganzheitlichen Ansatz zum Durchbruch verhilft, indem sie die verschiedenen Aspekte der Krise in einen interdisziplinären Dialog aufnimmt". Wenn die Politik indes nicht imstande ist, "eine perverse Logik zu durchbrechen" und wenn sie nicht über "armselige Reden" hinauskomme, so werde die Menschheit "weitermachen, ohne die grossen Probleme der Menschheit in Angriff zu nehmen". Politik und Wirtschaft müssten sich beide "entschieden in den Dienst des Lebens" stellen, mahnt der Papst.

Verantwortung der Menschheit für die Schöpfung
Laut Kathpress bietet Franziskus in seiner Enzyklika eine umfassende und auf der jüdisch-christlichen Tradition aufbauende Perspektive an und beschreibt die "unermessliche Verantwortung" der Menschheit für die Schöpfung, die enge Verbindung unter allen Geschöpfen. Der Glaube biete "wichtige Motivationen für die Pflege der Natur und die Sorge für die schwächsten Brüder und Schwestern", hält er fest. Die Verantwortung für die Natur sei Teil des christlichen Glaubens.

Religionen als Dialogpartner der Politik
Der Politik allein traut der Papst nicht zu, die grossen Probleme der Menschheit in Angriff zu nehmen, schreibt KAP. Er sehe auf diesem Weg vielmehr die Religionen als wichtigen Dialogpartner. Die Religionen müssten auch untereinander einen Dialog aufnehmen, "der auf die Schonung der Natur, die Verteidigung der Armen und den Aufbau eines Netzes der gegenseitigen Achtung und der Geschwisterlichkeit ausgerichtet ist", fordert Franziskus.

Weitere Meldungen und Hintergrundinformationen zur Papst-Enzyklika "Laudato si" unter www.kathpress.at/laudatosi.

Link zum deutschen Text der Enzyklika Laudato Si auf der Homepage des Vatikans:
http://w2.vatican.va/content/francesco/de/encyclicals/documents/papa-francesco_20150524_enciclica-laudato-si.html

(9327 Zeichen)
© Nachrichtenagentur APD Basel (Schweiz) und Ostfildern (Deutschland). Kostenlose Textnutzung nur unter der Bedingung der eindeutigen Quellenangabe "APD". Das © Copyright an den Agenturtexten verbleibt auch nach ihrer Veröffentlichung bei der Nachrichtenagentur APD. APD® ist die rechtlich geschützte Abkürzung des Adventistischen Pressedienstes.