Pastor Juan R. Prestol-Puesán, neugewählter Finanzchef der adventistischen Weltkirchenleitung © Foto: Brent Hardinge / ANN

Weltwirtschaftskrise kann Adventisten Millionen kosten

Silver Spring, Maryland/USA | 16.10.2015 | APD | International

Vom 7. bis 14. Oktober fand in Silver Spring, Maryland/USA die Jahressitzung des Exekutivausschusses der adventistischen Weltkirchenleitung statt. Die rund 300 Delegierten, Kirchenleiter sowie Laienmitglieder aus der ganzen Welt, nahmen zuerst an einer zweitägigen LEAD-Konferenz teil, berichtete die nordamerikanische Kirchenzeitschrift Adventist Review (AR). Dabei wurden die kulturellen Unterschiede in der Weltkirche thematisiert. In der anschliessenden viertägigen Geschäftssitzung wählten die Delegierten die Leitungen einiger Departemente der Weltkirchenleitung, die anlässlich der Weltsynode im Juli 2015 in San Antonio, Texas/USA, unbesetzt geblieben waren. Aus den Jahresberichten geht hervor, dass die Kirche Ende Juni knapp 18,8 Millionen Mitglieder zählte und dass für die Weltkirchenleitung per Ende September 67,5 Millionen US-Dollar eingegangen sind, zwei Millionen Dollar weniger als im Vorjahr.

Mitgliederstatistik: 18,8 Millionen Adventisten
Per 30. Juni seien weltweit knapp 18,8 Millionen Menschen durch die Glaubentaufe Mitglied der Siebenten-Tags-Adventisten gewesen, führte David Trim aus, Direktor des Büros für Archive, Statistik und Forschung der Weltkirche. Gegenüber Dezember 2014 sei auch die Zahl adventistischer Gemeinden und Gruppen weltweit von 148,023 auf 149,850 gestiegen.

Hohe Eintritts- und Austrittsrate
Sorgen mache ihm der grosse Mitgliederverlust. „Die Verluste untergraben die vielen, vielen Kircheneintritte“, so Trim. Von 1965 bis Ende 2014 seien global über 33 Millionen Menschen durch die Taufe adventistische Christen geworden, davon hätten aber 13 Millionen die Kirche wieder verlassen, - das seien 40 Prozent.

In zwei weltweit angelegten Befragungen ehemaliger Adventisten haben diese laut David Trim als Hauptgrund die bei anderen Kirchenmitgliedern subjektiv erlebte Heuchelei für das Wegbleiben oder den Kirchenaustritt angegeben. 63 Prozent verliessen laut den Studien die Kirche als junge Erwachsene. Weiter Austrittsgründe: Sie hätten sich nach und nach innerlich von der Kirche entfernt; Mangel an Mitgefühl; moralisches Fehlverhalten ihrerseits, sodass sie sich nicht mehr zugehörig fühlten. Viele hätten auch stressige Lebensumstände wie Umzug, Todesfall eines Angehörigen, Heirat oder Scheidung als Gründe angeführt. Vierzig Prozent gaben an, dass sie nach dem Wegbleiben oder Kirchenaustritt von niemandem seitens der Kirche daraufhin angesprochen worden seien.

„Wir müssen es irgendwie gemeinsam schaffen, eine andere Kirche zu werden, die Menschen erreicht und sie spüren lässt, dass sie zu uns gehören“, sagte Pastor Michael Ryan, ehemaliger allgemeiner Vizepräsident der Weltkirchenleitung.

Finanzbericht: Sinkende Einnahmen
Es sei unklar, so Pastor Juan R. Prestol-Puesán, der neugewählte Finanzchef der Weltkirchenleitung, ob 2015 genügend "Zehntengelder" (zehn Prozent des Einkommens), freiwillige Gaben und andere Einnahmen eingehen werden, um das Budget der Weltkirchenleitung zu erreichen. Per Ende September seien 67,5 Millionen US-Dollar eingegangen, zwei Millionen Dollar weniger als im Vorjahr.

Prestol-Puesán zeigte den Delegierten in einem Schnellkurs auf, wie die Weltwirtschaft die Finanzen der Weltkirche beeinflusst. Es habe 2015 einen Zeitpunkt gegeben, an dem der Aktienindex in den USA um 12 Prozent, in Europa um 21 Prozent und in Japan um 20 Prozent gefallen sei. Gleichzeitig sei der Wert des US-Dollars gegenüber anderen wichtigen Währungen gestiegen, weil Investoren US-Dollar als sichere Währung gekauft hätten. Für die Finanzabteilung der Weltkirche sei dies eine schwierige Zeit gewesen, da sie zwar in US-Dollar arbeite, aber 53 Prozent der Einnahmen aus anderen Währungen stammten, die zwischenzeitlich weniger Wert gewesen seien.

„Das Zusammenspiel von Schwächung der Finanzmärkte, der Stärke des US-Dollars und der wirtschaftlichen Situation in Ländern, die für unsere Einnahmen wichtig sind, deuten auf das Szenario eines aufkommenden Sturms hin“, sagte Prestol-Puesán.

Nach der Abstimmung zur Frauenordination durch die Weltsynode: Aufruf zur Einheit
Anlässlich der adventistischen Weltsynode in San Antonio, Texas/USA, haben es am 8. Juli die mehr als 2.300 Delegierten im Verhältnis von rund 60 zu 40 Prozent abgelehnt, den dreizehn teilkontinentalen Kirchenleitungen (Divisionen) die Kompetenz zu erteilen, dass diese adventistische Pastorinnen für ihr Kirchengebiet zum Pastorendienst ordinieren (einsegnen) dürfen.

Adventistisch Frauen können nach ihrem Theologiestudium in der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten zwar als Pastorinnen „gesegnet“ und damit beauftragt werden, Amtshandlungen, wie Taufe, Abendmahl, Trauung und Beerdigung vorzunehmen; doch ist diese Vollmacht örtlich begrenzt. Während die Ordination von Pastoren innerhalb der Freikirche weltweit Gültigkeit hat, dürfen gesegnete Pastorinnen nur in den Gebieten wirken, die zu einer Kirchenleitung gehören, welche die Segnung auch praktiziert. Ordiniert zum weltweiten Dienst werden lediglich männliche Geistliche. Nur sie dürfen in kirchenleitende Ämter, etwa als Präsident einer „Vereinigung“ oder einer „Union“/eines „Verbandes“ (regionale beziehungsweise überregionale Kirchenleitung) berufen werden, da hierfür die Ordination notwendig ist. Die Zulassung von Frauen als ordinierte Pastorinnen ist ausserhalb von Nordamerika, Westeuropa, China und Australien/Ozeanien, wo nur etwa 13 Prozent der weltweit knapp 18,8 Millionen Adventisten leben, umstritten.

Vor dieser Entscheidung der Weltsynode im Sommer 2015 hatten bereits überregionale Kirchenleitungen (Unionen/Verbände) in den USA sowie in den Niederlanden adventistische Pastorinnen zum Pastorendienst ordiniert.

Nach der Entscheidung der Weltsynode 2015 hat die überregionale Kirchenleitung Norwegens beschlossen, solange keine Pastoren mehr zu ordinieren, bis die Weltkirche eine nicht-diskriminierende Regelung für Pastorinnen und Pastoren beschliesst. Die überregionale Kirchenleitung in Dänemark hat entschieden die Unterscheidung zwischen „ordinierten“ und „gesegneten“ Pastoren aufzuheben. Die Kirchenleitung in den Niederlanden hat als Reaktion auf den Beschluss der Weltsynode 2015 festgehalten, dass sie weiterhin Pastorinnen ordinieren wird.

Auf diesem Hintergrund haben laut AR die Leiter der Weltkirche (General Conference) sowie die dreizehn teilkontinentalen Kirchenleiter während drei Sitzungen einen Aufruf an alle kirchlichen Funktionsebenen zur Respektierung der Ordinationsentscheidung der Weltsynode 2015 erarbeitet und einstimmig verabschiedet. „Wir appellieren an alle kirchlichen Gremien, die Entscheidung der Weltsynode zu respektieren. Jedes einseitige und eigenmächtige Handeln, das im Widerspruch zum verabschiedeten Vorgehen steht, ebnet den Weg für Risse und Zersplitterung“, heisst es im Dokument. Auf dem Glaubensweg könne es vorkommen, dass Christen unterschiedliche Auffassungen hätten. Es sei dann „gegenseitiger Respekt, aufmerksames Zuhören, Bereitschaft zum Verstehen und Unterordnung unter die Leitung des Heiligen Geistes auf dem Weg zur Einheit angezeigt.“

Nach der Verlesung des Aufrufs durch G. T. Ng sagte der adventistische Weltkirchenleiter T. C. Wilson: „Wir mögen Differenzen haben, aber wir sind eine Kirche mit einem Auftrag.“

Wahlen
Einige der an der Weltsynode im Sommer 2015 nicht besetzten Abteilungsleitungen der Weltkirche, wurden laut AR einstimmig folgendermassen besetz:
• Sam Neves und Tanya Holland wurden zu stellvertretenden Direktoren der Kommunikationsabteilung der Weltkirchenleitung gewählt.
• Pastor Elias Brasil de Souza wurde zum Direktor des Biblischen Forschungsinstituts (Biblical Research Institute BRI) ernannt.
• Neben den drei wiedergewählten stellvertretenden Direktoren des Biblischen Forschungsinstituts BRI, Kwabena Donkor, Ekkehardt F. R. Mueller, and Clinton L. Wahlen wurde auch Frank M. Hasel neu in diese Position gewählt. Hasel war Dekan des Theologischen Seminars des adventistischen Seminars Schloss Bogenhofen/Oberösterreich.

LEAD-Konferenz: Kulturelle Unterschiede im weltweiten Adventismus
In der zweitägigen LEAD-Konferenz „Gottes Mosaik der Kulturen“, die vom adventistischen Institut für Weltmission organisiert worden war und vor der Geschäftssitzung stattfand, wurden die Kirchenleiter für die unterschiedliche Kulturen innerhalb der adventistischen Weltkirche sensibilisiert. Es gebe nicht nur zwischen Ländern unterschiedliche Kulturen, sondern auch zwischen den Generationen und den Adventisten verschiedener Länder. Es brauche in einer Weltkirche kulturelle Intelligenz, die durch die bewusste Begegnung mit Menschen anderer Kulturen gefördert werden könne, sagte Pastor Cheryl Doss, Leiter der LEAD-Konferenz.

Frauen mit Händedruck begrüssen?
Als Russe habe er in den USA, wie er dies gewohnt war, bei einer Gruppe Menschen zuerst die Männer per Händedruck begrüsst und bei den Frauen auf ein „Signal“ gewartet, um sie auch per Handschlag zu begrüsse, erläuterte Pastor Artur Stele, einer der sechs allgemeinen Vize-Präsidenten der Weltkirchenleitung. Amerikanische Frauen hätten ihm kaum angezeigt, per Händedruck begrüsst werden zu wollen, weshalb er ihnen in der ersten Zeit in den USA auch nicht die Hand gegeben habe. Dies habe aber einige von ihnen verletzt.

Kultur und Theologie
Kultur betreffe aber auch die adventistische Theologie, wo es ebenso unterschiedliche Kulturen gebe, so Artur Stele. In gewissen Weltregionen machten Adventisten am Sabbat (Samstag), dem biblischen Ruhetag, zwar einen Sabbatspaziergang am Ufer eines Sees oder Meeres entlang, vermieden dabei aber jede Berührung mit dem Wasser. In anderen Ländern spaziere man am Sabbat auch im Uferwasser, bade aber niemals und noch andere Adventisten hätten kein Problem damit, am Sabbat zu baden.

Gebetshaltung: Knien, stehen, sitzen?
Es gebe auch kulturelle Unterschiede in der Gebetshaltung unter Adventisten. Er habe es erlebt, so Stele, dass ein ausländischer Pastor beim Gebet zu Beginn des Gottesdienstes in einem anderen Land seine Hände in den Hosentaschen gehalten habe, mit dem Resultat, dass ihm niemand bei der Predigt zugehört habe. In den USA sei es bei den Adventisten üblich, so Stele, beim Beten im Gottesdienst zu knien, in Russland stehe man. Auch gebe es Kulturen in denen man nur schon beim Gedanken, beim Beten sitzen zu bleiben, die Stirn runzle.

„Kulturbedingtes Verhalten ist etwas vollständig Erlerntes“, sagte der Exekutivsekretär der Weltkirchenleitung Pastor G. T. Ng bei der Quiz-Auswertung des Lernerfolgs der LEAD-Konferenz. Viele Delegierte hatten gemeint, dass Kultur mindestens teilweise genetisch vererbt werde.

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