Adventisten in Südamerika äussern sich zur Todesstrafe

Silver Spring, Maryland/USA | 19.12.2017 | APD | Menschenrechte

An der Jahressitzung der teilkontinentalen Kirchenleitung der Siebenten-Tags-Adventisten in Südamerika (South American Division, SAD) in Bahia/Brasilien haben die Delegierten Ende November eine Erklärung zur Todesstrafe verabschiedet. Darin steht, dass Adventisten überzeugt seien, dass Anliegen von Gewalt und Todesstrafe in der Kirche keinen Platz haben sollten. Die Kirchenmitglieder werden aufgefordert, sich nicht an Kampagnen zur Förderung der Todesstrafe zu beteiligen, da die Mission der Kirche nicht darin bestehe, „den Tod zu fördern, sondern Leben und Hoffnung zu verkünden".

Entstehungsgeschichte des Dokuments
Laut Adventist Review (AR), nordamerikanische Kirchenzeitschrift, hat das Ethik-Komitee des Biblischen Forschungsinstitut (Biblical Research Institute Ethics Committee, BRIEC) der adventistischen Weltkirchenleitung einen Meinungsbeitrag zur Todesstrafe abgegeben, weil es dazu von der teilkontinentalen Kirchenleitung in Südamerika (SAD) angefragt worden war. Es ist laut AR aufgrund einer spezifischen Situation in einigen Ortsgemeinden in Südamerika verfasst worden, wo das Thema unter den Mitgliedern für Unruhe gesorgt habe. Das Biblische Forschungsinstitut (BRI) ist ein Beratungsgremium der Weltkirche für theologische Fragen. Ekkehardt Müller, stellvertretender BRI-Direktor, der das Team der BRI Ethikkommission (BRIEC) leitete, hielt zum BRIEC-Meinungsbeitrag fest, dass dieser „keine umfassende Zugangsweise zur Frage der Todesstrafe" darstelle. Der BRIEC-Meinungsbeitrag wurde Ende November von der Kirchenleitung in Südamerika bearbeitet und als deren Erklärung zur Todesstrafe herausgegeben.

Hermeneutik – Interpretation und Verstehen von Texten
Das Dokument diskutiert biblische Texte und Passagen in deren Kontext, welche die Anwendung der Todesstrafe durch Regierungen zu unterstützen scheinen. Es kommt zu dem Schluss, dass Adventisten glauben, dass Anliegen von Gewalt und Todesstrafe in der Kirche keinen Platz haben. Die Stellungnahme der BRI-Ethik-Komitees beleuchtete nicht nur das Thema Todesstrafe, sondern auch die Frage, wie biblische Lehrstudien angegangen werden sollten, sagten laut AR einige der Theologen, die an der SAD-Jahressitzung teilgenommen haben.

Die Erklärung sei nicht nur wegen ihres Inhalts interessant, sondern auch wegen der hermeneutischen Prinzipien, die es explizit festhalte, schrieb Marcos Blanco, Chefredakteur des südamerikanischen Verlages, an Adventist Review: „Wir sollten niemals auf isolierte Texte reagieren, ohne dass ihr weiterer theologischer Zusammenhang in Betracht gezogen wurde.“

Die Bibel ignoriere das Leiden der von abscheulichen Verbrechen Betroffenen nicht, heisst es im Dokument. Es stelle sich aber die Frage, ob die Todesstrafe eine angemessene Antwort darstelle. Die Anwendung der Todesstrafe „ist oft mit Verfahrensschwierigkeiten behaftet“ und „unumkehrbar", was uns „sehr vorsichtig machen sollte".

Für Adventisten habe alles menschliche Leben einen immensen Wert; es sei von Heiligkeit geprägt, weil der Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen worden sei, heisst es in der Erklärung. „Dementsprechend ist es das Bestreben, menschliches Leben zu erhalten und zu schützen."

Neues Testament und Todesstrafe
In der alttestamentlichen Theokratie werde die Todesstrafe in einer Vielzahl von Fällen erwähnt. Im Neuen Testament werde diese Gesetzgebung aber nicht auf die christliche Kirche angewendet. „Mit Seinem ersten Kommen beendete Jesus die jüdische Theokratie und etablierte seine Reichsethik", so das Dokument. Bei der inzestuösen Beziehung in der Gemeinde Korinth (1. Korintherbrief 5) sei nicht nach den alttestamentlichen Vorgaben gehandelt worden. Im Neuen Testament werde „die Todesstrafe nicht mehr vom Volk Gottes praktiziert“. Das Töten von Ketzern, wie es in der Vergangenheit von einigen christlichen Kirchen praktiziert worden sei, sei „nicht nur ungerechtfertigt, sondern aus biblischer Sicht absolut falsch und rechtswidrig".

Regierungen und Todesstrafe
Das Dokument erwähnt zwei Texte aus der Bibel (1 Mose 9:5,6; Römerbrief 13:4) die laut AR üblicherweise verwendet werden, um die Vollstreckung der Todesstrafe durch Regierungen zu unterstützen. Nach einer Analyse des Kontexts anerkennt das Dokument, dass „derzeit keine Einigung über die Auslegung dieser Texte in der breiten Christenheit oder in der Adventgemeinde besteht", und fügt hinzu: "Folglich gibt es auch keine Einigung über die Frage, ob Regierungen aus biblischer Sicht die Todesstrafe einführen dürfen oder sogar müssen".

Trotz der mangelnden Einigkeit über die spezifische Rolle der Regierungen bei der Anwendung der Todesstrafe heisst es in dem verabschiedeten Dokument, dass die Kirche keine aktive Rolle bei der Förderung der Todesstrafe übernehmen sollte. In Anbetracht der Tatsache, dass die Todesstrafe in der christlichen Kirche keinen Platz habe, sei es nicht richtig, dass die Kirche quasi als „Agentin“ für die Todesstrafe eintrete, auch wenn der Staat sie durchführen könnte", heisst es.

Im abschliessenden Abschnitt des Dokuments empfehlen die BRIEC-Mitglieder den Kirchenmitgliedern, sich nicht an Kampagnen zur Förderung der Todesstrafe zu beteiligen. „Die Mission der Kirche besteht nicht darin, den Tod zu fördern, sondern Leben und Hoffnung zu verkünden."

Die englische Originalversion des Dokuments: „Death Penalty: An Opinion“ (BRIEC)
https://www.apd.media/pdf/2017/170927%20Death%20Penalty%20%20An%20Opinion%20-%20Todesstrafe_Meinungsbeitrag.pdf

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