Hans Heinz, Endzeit und Endziel: Martin Luther und die Zukunft der Welt

| 30.01.2018 | APD | Buchrezensionen

Hans Heinz, Endzeit und Endziel: Martin Luther und die Zukunft der Welt Hoffnung heute: Wissen - Orientierung - Zeugnis, Band 2, Krattigen: Advent-Verlag 2017, 192 Seiten, Paperback, 15,50 CHF/Euro, ISBN 978-3906309156

Luther und die urchristliche Endzeiterwartung
Das vorzustellende Buch ist der zweite Band in der kleinen Schriftenreihe "Hoffnung heute" zur Theologie, Geschichte und Weltsicht der Siebenten-Tags-Adventisten (Band 1 thematisierte die religiöse Herausforderung der Begegnung von Christentum und Islam). In 17 Kapiteln beschäftigt sich der promovierte adventistische Theologe Hans Heinz mit dem Leben Martin Luthers und seiner Botschaft.

Das Buch beginnt mit einer zeitlichen Einordnung, um dann unverzüglich zum eigentlichen Thema zu kommen: Luthers Sicht von der Zukunft der Welt. Luther predigte immer wieder gern aus dem 21. Kapitel des Lukasevangeliums, in dem zukünftige Ereignisse thematisiert werden. Ihm ging es dabei stets um die christliche Adventhoffnung: "Hilf, lieber Herr Gott, dass der selige Tag deiner heiligen Zukunft bald komme." Die Welt betrachtete er dabei mit einem biblischen Realismus. Sie ist von Gott getrennt und unfähig, sich selbst zu retten. Rettung sei nur durch den wiederkehrenden Christus zu erfahren. Auf den langen Winter müsse ein ewiger Sommer folgen.

"Apokalyptischer Luther"
Heinz' These lautet: Die moderne Lutherforschung wird der kühnen Haltung des Reformators im Hinblick auf seine Eschatologie (Lehre von der Endzeit) nicht gerecht. Eher stünde die Kritik an Luther im Vordergrund als die Würdigung dieser konsequent biblischen Ausrichtung seiner Lehre. Entweder ignoriere man Luthers endzeitliche Erwartungshaltung oder relativiere sie. Luthers biblische Sichtweise von der Wiederkunft Christi sei aber eine durchgehende Konstante in seiner Lehre. "Er [Luther] hat damit deutlich gemacht, dass authentisches Christentum nicht nur an der Vergangenheit hängen kann und auch nicht ganz in der Gegenwart aufgehen darf, sondern auf die Zukunft hin ausgerichtet sein muss" (S.15).

Im Laufe der Zeit sei diese eschatologisch-apokalyptische Perspektive ausgedünnt worden (S. 23). Der Neo-Protestantismus habe sich von der Welt der Reformation und ihren ursprünglichen Glaubensüberzeugungen verabschiedet. Schuld daran trage der moderne Anthropozentrismus (der Mensch steht im Mittelpunkt), dem es mehr um die Frage nach dem Menschen als um Gott gehe (S. 40). Die apokalyptische Welt gelte zudem als verpönt, als phantastisch (Bultmann) oder als versunken (Küng). Endzeitsehnsucht und Jenseitshoffnung seien generell utopisch und somit problematisch.

Mit dieser Hyperkritik würden die Fundamente des christlichen Glaubens angegriffen, denn für Jesus von Nazareth war das Kommen des Gottesreiches zentral und tiefverwurzelt in der alttestamentlichen Apokalyptik seiner Zeit. Kreuz und Wiederkunft seien die "Urdaten" einer eschatologischen Weltsicht.

Luther als "Prophet des Endes"
Luther war gewiss: "Das Ende der Welt steht vor der Tür" (S. 82). Seine eigenen Endzeiterwartungen seien dabei sicherlich von den zeitgeschichtlichen Auseinandersetzungen mit Papst, Kaiser und Sultan geprägt worden. Nicht jedoch die enthusiastische Nächsterwartung mancher Schwärmer, sondern eine nüchterne Naherwartung hätten den Reformer bis zu seinem Tod geprägt. Auch wenn Luther selbst einige Extreme in seiner Haltung aufweist: So war er der Meinung, dass die Weltzeit in fünf bis sechs Jahren zu Ende gehen werde (S. 147) und stellte eigene Endzeitberechnungen an (S.84).

Dabei seien Weltuntergangsängste in der damaligen Zeit nichts Neues gewesen, doch fehlte den "mittelalterlichen Zukunftserwartungen die urchristliche Qualität der Freude". (S.36) Luther sei in der Lage gewesen, durch die Wiederentdeckung der persönlichen Heilsgewissheit mit dieser ängstlichen und resignativen Haltung im Blick auf das Weltende zu brechen. Den Wittenberger zeichne neben seiner Zukunftshoffnung auch eine transzendente Sinndeutung der Geschichte aus (S.57), in der Gott die Weichen stelle. Doch nie der reine Historismus hätte Luther bewegt, sondern stets eine theologisch-pastorale Perspektive. Er war gewiss: Gott gibt sein Volk nicht auf.

Leseempfehlung
Interessante theologische Auseinandersetzungen, wie die von Luther mit Erasmus über den Humanismus oder mit den Täufern und Thomas von Aquin werden zudem kurz geschildert und anschaulich auf den Punkt gebracht. Der Autor versteht es, Luther neu darzustellen. Zugleich kritisiert er damit die moderne Lutherforschung und macht deutlich, dass Luthers Botschaft ohne seinen eschatologischen Ausblick nicht zur Gänze verstanden werden kann. Viele Originalzitate, eine kluge Gliederung, der kappe und verständliche Einblick in komplexe Thematiken innerhalb der einzelnen Kapitel machen das Buch für alle interessierten Leser zu einer gewinnbringenden Lektüre.
Claudia Mohr

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