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Angebot und Nachfrage verändern die Suchtlandschaft Schweiz - Schweizer Suchtpanorama 2018 publiziert

Lausanne/Schweiz | 13.02.2018 | APD | Schweiz

"Billiger Alkohol an jeder Ecke und im Web, eine wachsende Palette an Nikotinprodukten, THC-armes Cannabis - der Markt legaler Substanzen ist in Bewegung", schreibt die Stiftung Sucht Schweiz im Suchtpanorama 2018. Auch beim illegalen Cannabis manifestiere sich die Suche nach einem neuen Umgang. Gelegentlich fehlte es an Forschungsergebnisse aber auch am Interesse der Politik, zu steuern und die Gesundheitsrisiken für alle zu minimieren, was Fragen aufwerfe, so das nationale Kompetenzzentrum im Suchtbereich.

Laut Sucht Schweiz verändern sich Angebot und Nachfrage auch bei potenziell süchtig machenden Substanzen und Verhaltensweisen ständig. Mit neuen Entwicklungen stellen sich neue Herausforderungen. Was für manche im Verborgenen abläuft, hat sich in der Werbestrategie der Alkohol- und Tabakindustrie längst etabliert: das Anpreisen in sozialen Netzwerken, wo Nutzende Werbebotschaften aufgreifen und weiterleiten. Und wenn neue Produkte wie CBD-haltiges Cannabis einen Hype erleben, laufend neue Tabakprodukte erhältlich sind und Rauchende nach weniger schädlichen Alternativen suchen, muss dazu erst der passende Umgang gefunden werden. Welches Potenzial, welche Risiken und Langzeitfolgen diese Produkte haben, ist noch unklar.

"Neue Produkte, die auf den Markt drängen, die Nutzung moderner Technologien, zu wenig rasche und unabhängige Forschung sowie eine Politik, welche die Gesundheit aus den Augen verloren hat, prägen heute das Bild", schreibt Sucht Schweiz.

Alkohol: billig und omnipräsent auch im Web
Der Pro-Kopf-Konsum von Alkohol ist im Jahr 2016 leicht auf 7,9 Liter reinen Alkohol zurückgegangen und die Abstinenzrate liegt bei rund 14 Prozent der Schweizer Bevölkerung ab 15 Jahren - mehr als noch vier Jahre zuvor. Beim Risikokonsum gibt es indes kaum Veränderungen. 21,6 Prozent der Bevölkerung trinken chronisch oder punktuell risikoreich.

Alkohol kann billig und jederzeit erworben werden - auch im Internet, wo Konsumierende in sozialen Netzwerken zum erweiterten Arm der Werbeagentur werden. Werbung beeinflusst die Trinkmenge und das Einstiegsalter sowie die Einstellung zu Alkohol, sagen Forschende. Studien weisen einhellig darauf hin, dass die Einschränkung von Alkoholwerbung wirksam und kosteneffektiv wäre. Die Politik sehe aber keinen Handlungsbedarf, schreibt das Kompetenzzentrum im Suchtbereich, im Gegenteil: Der Konsum solle gar noch gefördert werden, sogar auf der Autobahn und mit der geforderten Abschaffung der Biersteuer zeige sich eine weitere Deregulierung.

Zahlen zum Alkoholkonsum in der Schweiz:
- 250.000 Personen sind laut Schätzungen alkoholabhängig.
- Rund 1.600 Menschen sterben jährlich frühzeitig an missbräuchlichem Alkoholkonsum.
- Nur 24,2 Prozent der Teilnehmenden an einer repräsentativen Umfrage wussten um die krebserzeugende Wirkung von Alkohol bei Brustkrebs.

Raucherquote stagniert, was die Politik nicht kümmert
2016 rauchten 25.3 Prozent der Personen über 15 Jahre in der Schweiz, das heisst ein Viertel der Bevölkerung. Dieser Anteil hat sich seit rund zehn Jahren nur marginal verändert. Knapp 40 Prozent der Bevölkerung kennen die Gefahren des Tabakkonsums ungenügend. Am besten über die Risiken informiert sind Personen im Alter von 20 bis 44 Jahren.

In aller Mund sind neue Produkte, die als schadensmindernde Variante zum herkömmlichen Zigarettenkonsum gehandelt werden. Unklar bleibt, inwiefern das Rauchen entscheidend reduziert wird. Eine stringente Tabakpolitik, welche das Zigarettenrauchen mit einem Werbeverbot und einer wirksamen Steuer reduzieren würde, fehlt hierzulande. In die Bresche springt mitunter die Zivilgesellschaft wie der Verzicht auf das Tabaksponsoring des Gurtenfestivals zeigt.

Zahlen zum Tabakkonsum in der Schweiz:
- 2012 starben 9.500 Menschen aufgrund des Rauchens.
- Hauptsächliche Todesursachen sind: Diverse Krebsarten, 42 Prozent; Herzkreislauferkrankungen, 39 Prozent.
- 2007 entstanden laut Schätzungen durch das Rauchen direkte und indirekte Kosten von 5,7 Milliarden Franken.

Illegale Drogen - ein Wirrwarr ohne Grenzen beim Cannabis
Die Konsumzahlen bei den illegalen Drogen sind in etwa stabil geblieben. Cannabis ist die weitaus am häufigsten konsumierte Substanz, weit vor Kokain, Amphetamin und Ecstasy. Beispiellos ist das dramatische Ausmass der Opioid-Problematik in den USA, wo viele Menschen nach einer Schmerztherapie die Opioide auf dem Schwarzmarkt beschaffen und oft ohne es zu wissen zu Stoffen wie Fentanyl greifen. Wie eine Studie aus der Waadt zum Heroinmarkt nahe legt, stellt sich das Problem hierzulande bis jetzt nicht.

Die Cannabis-Politik steht vor immer grösser werdenden Herausforderungen. Mit CBD-haltigen Produkten, der uneinheitlichen Praxis bei den Ordnungsbussen, den geplanten Studien der Städte und Kantone für neue Regulierungsmodelle, der Verwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken sowie dem internationalen Kontext drängt sich eine Revision des Betäubungsmittelgesetzes auf.

Zahlen zum illegalen Drogenkonsum in der Schweiz:
- Konsum illegaler Drogen bleibt Zahlen zufolge stabil.
- Dogenbedingte Todesfälle zwischen 2010 und 2015, meist wegen Heroinkonsum: jährlich 130 Personen.
- 7,3 Prozent der Bevölkerung ab 15 Jahren konsumierten 2016 Cannabis.

Medikamente: Wo liegt die Schmerzgrenze?
In den USA sterben jeden Tag mehr als hundert Menschen an einer Opioid-Überdosis. Zu den betroffenen Substanzen zählen auch schmerzlindernde Medikamente. Die in den letzten zehn Jahren beobachtete Zunahme der Verschreibungen und des Umsatzes von opioidhaltigen Schmerzmitteln erfordert auch hierzulande Wachsamkeit. Bislang gab es aber keine Meldungen, wonach entsprechende Suchtprobleme zugenommen hätten.

Schlaf- und Beruhigungsmittel, namentliche Benzodiazepine, bergen ein Abhängigkeitspotenzial. 2.8 Prozent der Bevölkerung nehmen täglich oder fast täglich während mindestens eines Jahres solche Mittel ein. Dieser Anteil ist hoch, wenn man bedenkt, dass sie nur über kurze Zeit eingenommen werden sollten.

Geldspiele vor einer Renaissance mit unabsehbaren Folgen
0.8 bis 2.2 Prozent der Personen, die um Geld spielen, gelten als problematisch Spiel ende und 0.5 bis 0.8 Prozent als pathologisch Spielende. Von problematischen Formen des Geldspiels sind mehrheitlich jüngere Männer betroffen.

Die geplante Öffnung des Geldspielmarkts im Internet droht mehr Menschen in die Sucht zu ziehen, denn Online-Geldspiele bergen nachweislich ein höheres Suchtpotenzial. Eher abseits des öffentlichen Interesses hat das Parlament ein Gesetz verabschiedet, das insgesamt die Möglichkeiten der Geldspielanbieter stärker gewichtet als den Schutz der Spielenden. Das Gesetz will nicht-lizenzierte Anbieter mit Netzsperren vom Markt fernhalten und prompt wurde deswegen das Referendum lanciert. Gleichzeitig ermöglicht das Internet laufend neue Spielformen, welche insbesondere die Grenzen zwischen Video- und Geldspielen fliessend machen - die Rede ist vom sog. Social Gambling.

Neue Produkte schaffen neue Marktdynamik
Potenziell gesundheitsschädliche Stoffe sind alles andere als neu. Neu in den letzten Jahren ist die Diversifizierung der Produkte nicht nur im Alkoholbereich: E-Zigaretten und Tabakprodukte zum Erhitzen, die auf den Markt drängen; nebst Haschisch und Marihuana gibt es CBD-reiches Cannabis in Zigaretten oder als Tropfen und Balsam etc. oder in Esswaren; neue psychoaktive Substanzen oder Online-Spiele ohne Grenzen. Diese Entwicklung verlangt nach neuen Leitlinien, damit Produkte mit möglichst geringem Schadenspotenzial begünstigt werden und nicht die Interessengruppen mit dem grössten Einfluss. Ohne politisches Engagement bleibt ein Vakuum, von dem die Anbieter profitieren. Rasches Handeln und ein Gesamtkonzept drängen sich auf, um das freie Marktspiel besser zu regulieren und Gesundheitsschäden zu minimieren. Doch eine politische Linie fehlt heute.

Ein Feld ohne Schiedsrichter
Nicht zuletzt dank neuer Technologien erzeugt der Markt laufend neue Produkte, Werbe-, Informations- und Austauschmöglichkeiten. Er erwidert damit auch die Nachfrage der Konsumierenden nach Produkten mit weniger Risiken. Um diese zu kennen, bräuchte es aber mehr unabhängige Forschung. Kurzum: Es braucht einen Schiedsrichter, der genau hinschaut und dort regulierend eingreift, wo die Gesundheit der Bevölkerung auf dem Spiel steht. Der Staat steht in der Pflicht. Wer sonst?

Schweizer Suchtpanorama 2018 als Download:
http://www.suchtschweiz.ch/fileadmin/user_upload/DocUpload/2018_SUCHTPANORAMA_DE.pdf

Zahlen und Fakten auf neustem Stand und in neuem Kleid
Suchtspezifische Informationen und wissenschaftliche Daten:
http://zahlen-fakten.suchtschweiz.ch

Stiftung Sucht Schweiz
Die Stiftung Sucht Schweiz ist ein nationales Kompetenzzentrum im Suchtbereich. Sie betreibt Forschung, konzipiert Präventionsprojekte und engagiert sich in der Gesundheitspolitik. Das Ziel der Stiftung ist, Probleme zu verhüten oder zu vermindern, die aus dem Konsum von Alkohol und anderen psychoaktiven Substanzen hervorgehen oder durch Glücksspiel und Internetnutzung entstehen.

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