Flyer: Fünf Appelle zum Schutz von Flüchtlingen an die Religionsgemeinschaften © Cover: Rat der Religionen

Schweiz: Christen, Juden und Muslime erstmals mit gemeinsamer Flüchtlingserklärung

Bern/Schweiz | 07.11.2018 | APD | Schweiz

Die im Schweizerischen Rat der Religionen vertretenen Religionsgemeinschaften fordern ihre Mitglieder auf, sich für Flüchtlinge zu engagieren. Gleichzeitig appellieren sie an die Adresse des Staates und der Politik, Verantwortung für die Bedürfnisse von Flüchtlingen zu übernehmen. Es ist das erste Mal, dass sich Christen, Juden und Muslime gemeinsam zu Flüchtlingsfragen äussern. «Diese Erklärung hat somit einmaligen Charakter und bedeutet einen grossen Schritt im interreligiösen Dialog», schreiben die Religionen in ihrer Medienmitteilung. Unterstützt wird das Projekt vom Flüchtlingshilfswerk der UNO.

Wenn es um den Schutz von Flüchtlingen und deren Integration geht, kommt den Religionsgemeinschaften und ihren Organisationen eine tragende Rolle zu, schreiben die Religionsgemeinschaften. Vor diesem Hintergrund hat der frühere Flüchtlingshochkommissar und heutige Generalsekretär der Vereinten Nationen António Guterres 2012 den internationalen Dialog «Faith and Protection» (Glaube und Schutz) angestossen. Die Religionsgemeinschaften sollten sich in diesem Sinn auch zukünftig für den Flüchtlingsschutz einbringen.

Die im Schweizerischen Rat der Religionen vertretenen Religionsgemeinschaften haben dieser Aufforderung Folge geleistet und nehmen mit ihrer gemeinsamen Flüchtlingserklärung nun eine Vorreiterrolle ein. Bischof Harald Rein, Bischof der christkatholischen Kirche der Schweiz und amtierender Vorsitzender des Schweizerischen Rates der Religionen, betont: «Für Juden, Christen und Muslime gilt: Jeder Mensch ist Geschöpf Gottes und steht somit unter dessen Schutz. Für uns Gläubige ergibt sich daraus eine besondere Verantwortung gegenüber den Flüchtlingen.»

Fünf Appelle für einen starken Flüchtlingsschutz
Aus diesem Verständnis leiten die Religionsgemeinschaften insgesamt fünf Appelle zur Schweizerischen Flüchtlingspolitik ab, die sie in Form einer gemeinsamen Erklärung am 7. November veröffentlicht haben.

1. Schutz vor Ort
Der erste Appell thematisiert den Schutz vor Ort, welcher ein wichtiges Ziel der Schweizer Flüchtlings- und Aussenpolitik sein soll.
2. Legale Fluchtwege
Die Religionsgemeinschafte appellieren zudem an Staat und Politik legale Zugangswege in Form von Resettlement-Programmen als zentraler und dauerhafter Bestandteil im Schweizer Asylsystem zu verankern und die Vergabe von humanitären Visa zu erleichtern.
3. Faire und effektive Asylverfahren
In der Schweiz braucht es gemäss der Erklärung zudem faire und effektive Asylverfahren, in denen der Flüchtlingsbegriff gemäss Genfer Flüchtlingskonvention umfassend angewendet wird. So sollen von Bürgerkrieg betroffene Menschen den Flüchtlingsstatus statt einer vorläufigen Aufnahme erhalten.
4. Integration – gleichberechtigte Teilhabe
Unerlässlich sei auch, dass dem Recht auf Familienleben Rechnung getragen werde, sowie einer frühzeitigen Integration von Flüchtlingen. Insbesondere in diesem Bereich könnten Religionsgemeinschaften ihren Beitrag leisten, indem sie Freiwilligenarbeit, Nachbarschaftshilfe und individuelle Initiativen starten und unterstützen. Für Flüchtlinge wiederum ist gemäss Erklärung die Respektierung hiesiger Regeln zentral, um sich integrieren zu können und Teil dieser Gesellschaft zu werden. Selbstredend gelten auch für sie die in der Bundesverfassung verankerten Werte.
5. Rückkehr in Würde
Weiter wird im fünften und politisch aktuellsten Appell eine Rückkehr in Würde für Personen gefordert, welche die Kriterien für die Schutzgewährung nicht erfüllen, das sogenannte «Resettlement». Dazu gehören menschenrechtliche Standards beim Vollzug der Wegweisung und die Beachtung des Kindeswohls in jeder Situation.

UNHCR spricht von „Vorzeigeprojekt“
Das Büro des Flüchtlingshilfswerks der UNO (UNHCR) für die Schweiz und Liechtenstein hat die Realisierung der Interreligiösen Erklärung zu Flüchtlingsfragen unterstützt. Gemäss Anja Klug, Leiterin des Büros und somit Vertreterin des UNHCR in der Schweiz, ist dieser nationale Dialog von grosser Bedeutung: «Die interreligiöse Erklärung zu Flüchtlingsfragen, als Ergebnis einer Zusammenarbeit von UNHCR und Religionsgemeinschaften in der Schweiz, ist ein wichtiges Vorzeigeprojekt, das hoffentlich auch in weiteren Ländern Schule macht.»

Mit den verantwortlichen Bundesstellen in der Schweiz wird es in den kommenden Tagen einen Austausch zur Flüchtlingserklärung geben. Die Dringlichkeit ist unbestritten: Weltweit sind über 68 Millionen Menschen auf der Flucht – so viele wie noch nie. Rund die Hälfte der Flüchtlinge sind Kinder.

Religionsgemeinschaften
Folgende Religionsgemeinschaften und Organisationen haben die fünf Appelle zum Schutz von Flüchtlingen lanciert: Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG); Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund (SEK); Schweizer Bischofskonferenz (SBK): Christkatholische Kirche der Schweiz; Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz (FIDS); Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (KIOS); Schweizerischer Rat der Religionen.

«Gegenüber ist immer ein Mensch» - Interreligiöse Erklärung für Flüchtlingsfragen:
https://gallery.mailchimp.com/eb344e2701f3928e9eb74e83e/files/ff568958-1fe1-4202-8310-d097f6947359/Interreligi%C3%B6se_Erkl%C3%A4rung_zu_Fl%C3%BCchtlingsfragen_DE.pdf

(4699 Zeichen)
© Nachrichtenagentur APD Basel (Schweiz) und Ostfildern (Deutschland). Kostenlose Textnutzung nur unter der Bedingung der eindeutigen Quellenangabe "APD". Das © Copyright an den Agenturtexten verbleibt auch nach ihrer Veröffentlichung bei der Nachrichtenagentur APD. APD® ist die rechtlich geschützte Abkürzung des Adventistischen Pressedienstes.