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"Und jetzt? Ökumene nach dem Reformationsjubiläum" (Teil 1)

| 13.02.2019 | APD | Buchrezensionen

"Und jetzt? Ökumene nach dem Reformationsjubiläum", Claudia Keller, Stefan Orth (Hg.), HERDER KORRESPONDENZ Edition, Verlag Herder, Freiburg – Basel – Wien; 123 Seiten, CHF 21.50, EUR 15.00; ISBN 978-3-451-02735-2; Zu beziehen über den Buchhandel.

Teil 1 (Huber, Junge und Kardinal Walter Kasper)
Die Rezension der Beiträge von Peter Knauer SJ, Ulrich H.J. Körtner, Dorothea Sattler, Thomas Söding und Kardinal Rainer Maria Woelki folgen – aus Platzgründen - in einem Teil II.

Im Jubiläumsjahr der Reformation 2017 gab es bemerkenswerte ökumenische Akzente und deutliche Zeichen der Annäherung zwischen Protestanten und Katholiken. So viel wertgeschätzt wurde noch nie, auch noch nie so viel ehrliche Reue und Busse gezeigt angesichts der Gewalt und der Verletzungen, die man einander in der Vergangenheit zugefügt hat, so betonen die Herausgeber im Vorwort. Die Publizisten Claudia Keller und Stefan Orth fragten katholische und evangelische Theologen, welche Schritte zu mehr "sichtbarer Einheit" die Kirchen jetzt gehen sollten und haben dazu Antworten bekommen.

Zu den ausgewählten Autoren zählen Wolfgang Huber, Martin Junge, Kardinal Walter Kasper, Peter Knauer SJ, Ulrich H.J. Körtner, Dorothea Sattler, Thomas Söding und Kardinal Rainer Maria Woelki.

Der frühere EKD-Ratsvorsitzende und Bischof Wolfgang Huber plädiert in seinem Beitrag "Reformation und Katholizität – In der Verschiedenheit zusammengehören" für ein neues Verständnis von Katholizität und "katholisch" in der evangelischen Kirche. "Wenn das Wort 'katholisch' einen verständlichen Sinn haben soll, dann taugt es überhaupt nicht als Konfessionsbezeichnung. Denn 'katholisch' bedeutet 'allumfassend' und zielt weiter, nicht nur auf alle Christen, sondern auf alle Menschen." Katholisch sei ein Verheissungswort, nicht eine Konfessionsbezeichnung. Eigentlich müssten, so Huber, gerade Evangelische Sinn dafür haben, dass Katholizität die Vielfalt in der Einheit bedeutet. Eine Gemeinschaft der Kirchen in der Vielfalt dürfe nicht als Bedrohung, sondern als Reichtum verstanden werden. Huber schliesst seinen Beitrag mit der Zuversicht: "Wenn wir uns um Jesus Christus versammeln und an sein Wort halten, brauchen wir vor der Vielfalt keine Angst zu haben. Wenn diese Angst vergeht, erkennen wir, dass wir in unserer Verschiedenheit zusammengehören. Dann sind wir alle – in unserer bleibenden Verschiedenheit – evangelisch und katholisch zugleich."

Mit "Schritte vom Konflikt zur Gemeinschaft – Wie sich Freiräume in der internationalen lutherisch-katholischen Verständigung eröffnen" beschäftigt sich Martin Junge, Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB). Der Autor geht ausführlich auf die verschiedenen Wege der Umsetzung der "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre" von Lutheranern und Katholiken ein, der inzwischen auch Methodisten, Anglikaner und Reformierte beigetreten sind. Auch das gemeinsame Reformationsgedenken am 31. Oktober 2016 in Lund und Malmö wird bewertet, an dem Papst Franziskus und die Spitzen des LWB teilgenommen haben. Mit dem Hinweis auf die nächste Phase im lutherisch-katholischen Dialog über den Themenkomplex über die offenen Fragen "Amt, Kirche und Eucharistie" blickt Junge – vor dem Hintergrund einer erstaunlichen ökumenischen Dynamik - mit grosser Hoffnung in die Zukunft.

Auf eine bedeutsame Wende der katholischen Lutherforschung des 20. Jahrhunderts, die zur Anerkennung des religiösen Anliegens Luthers führte, weist Kardinal Walter Kasper, früherer Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, hin. Sein Beitrag "Ökumene ist ein Lernprozess – Das Erbe Martin Luthers neu entdecken" befasst sich mit folgenden Unterthemen: "Luther als Reformkatholik", "Von der Reform zur Reformation", "Martin Luther in ökumenischer Perspektive", "Wo stehen wir in der Ökumene?" und "Blick nach vorne". Nach Meinung Kaspers gibt es heute in der wissenschaftlichen historischen Bewertung Luthers und der Reformation kaum mehr konfessionelle Unterschiede. Luthers 95. Ablassthesen von 1517 seien kein revolutionäres Dokument, so Kasper, sondern ein "Dokument der Reform, aber nicht der Reformation."
Luther ging es nicht um eine neue separate Reformkirche. Er wollte die Erneuerung der ganzen Christenheit. Der junge Luther war sozusagen ein Reform-Katholik. Heute würde man von neuer Evangelisierung sprechen.

Luthers ökumenischer "Stellenwert" für die heutigen Katholiken umreisst der Kardinal wie folgt: "Luther ist für uns ein Zeuge des gemeinsamen Glaubens an Jesus Christus. Er ist ein Bruder in Christus und als solcher ein mutiger und dazuhin wort-gewaltiger Zeuge Jesu Christi." (Zitat aus einem lutherisch-/katholischen Kommissionsdokument von 1983).
Gleichzeitig hat die katholische Kirche dankbar von Luther die Wertschätzung des Wortes Gottes und der Heiligen Schrift gelernt. In Sachen Ökumene stünden Katholiken und Lutheraner – und in erweitertem Sinne auch die Evangelischen – heute vor folgenden Fragen: Was verstehen wir unter Kirche, was unter Kircheneinheit, und welche Kircheneinheit wollen wir? Das katholische Modell der Kircheneinheit bestehe aus einer Einheit in Wort und Sakrament und dem diesen zugeordneten Amt, besonders das für die Einheit konstitutive Bischofsamt wie das Petrusamt (->Papsttum). Hier fehlt bis heute eine Komptabilität mit dem evangelischen Modell (-> Leuenberger Konkordie, 1973).

Ein Rückzug auf den Konfessionalismus – so Kasper im "Blick nach vorne" – wäre eine Katastrophe! Die Kirchen können es sich gar nicht mehr leisten, gegen- oder auch selbstgenügsam nebeneinander zu stehen; sie müssen miteinander leben und aufeinander zugehen. Zwar habe das Zweite Vatikanum diesen unumkehrbaren Weg eingeschlagen, doch ist die Verwirklichung auch nach mehr als 50 Jahren nicht abgeschlossen.

Der Kardinal fordert auch Lutheraner müssen sich auf den Weg machen. Die Rezeptionsgeschichte Luthers sei noch nicht zu Ende. "Es gibt eine evangelische Luthervergessenheit, Lutherfremdheit und einseitig-konfessionalistische Lutherinterpretation. Luther wollte keine separate Kirche, sondern eine gesamtkirchliche Erneuerung im Licht des Evangeliums. Und der Autor kommt zur nüchternen Erkenntnis: "Wir können die Ökumene nicht 'machen', nicht organisieren oder forcieren. Wir müssen tun, was wir können; aber am Ende ist die Einheit ein Geschenk des Heiligen Geistes."

Christian B. Schäffler, CBS KULTUR INFO, Basel

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