Bundesrat Ignazio Cassis im Gespräch vor der SIG-Abendveranstaltung © Foto: Herbert Bodenmann/APD Schweiz

Ignazio Cassis zu Nahostkonflikt: Gewalt ist Nonsens

Zürich/Schweiz | 20.05.2019 | APD | Schweiz

In seiner Rede anlässlich der Abendveranstaltung in der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich (ICZ) nach der 114. Delegiertenversammlung des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG) wies Bundesrat Ignazio Cassis die rund 500 Zuhörer auf das 70-Jahrjubiläum der Anerkennung des Staates Israel durch die Schweiz im Jahr 1949 hin. Israel und der ganze Nahe Osten liege ihm als auch dem gesamten Bundesrat am Herzen. Eine nüchterne Analyse zeige, dass die Situation sehr schwierig sei. Gewalt sei aber keine Lösung.

Im Podiumsgespräch mit SRF-Journalist David Karasek sagte Bundesrat Cassis, dass im Nahostkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern «nichts einfach» sei. Es sei schwierig, sich mit dieser Region zu befassen und es gelte, ein balanciertes Verhältnis zu beiden Seiten zu unterhalten. «Gewaltauseinandersetzung ist Nonsens»! Die Parteien müssten vielmehr den Mut aufbringen, einen Schritt zu tun.

Kritik am UNO-Hilfswerk UNWRA ist nicht Ausdruck einer Pro-Israel-Haltung
Dass er das UNO-Hilfswerk UNWRA kritisch hinterfragt habe und die Schweiz sich mit anderen Staaten nun in einer Reformgruppe engagiere, hänge nicht mit einer Pro-Israel-Haltung zusammen, sondern mit dem UNWRA-Mandat, Bildung und Gesundheitsversorgung, Sozialdienste in palästinensischen Gebieten zu organisieren. Er sei dafür zuständig, dass die 20 bis 30 Mio. Franken aus Steuergeldern der Schweiz im Nahostkonflikt zweckbestimmt und nicht auch für Hass- und Gewaltaufrufe verwendet würden. Deshalb schauten seine Leute bei der UNWRA konkreter hin und kontrollierten entsprechend.

«Nie wieder!»
Das «Nie wieder!» präge ihn, seit er das Museum in Warschau am Ort des ehemaligen Ghettos sowie drei Konzentrationslager besucht habe, sagte der Bundesrat. Als Moderator Karasek ihn aufforderte, den jüdischen Zuhörern im Saal etwas Persönliches mit auf den Weg zu geben, forderte Cassis sie auf, sich für Bildung und Dialog einzusetzen und zeugnishaft von dem zu reden, was sie seien sowie sich gemeinsam gegen Hassrede einzusetzen.

Wunsch nach einem Land, wie zu Gotthelfs Zeiten
«Die Sicherheitslage in der Schweiz ist kritisch», sagte Herbert Winter, SIG-Präsident. Das Verständnis in einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft für Religion und Minderheiten nehme ab. Es verfestige sich ein Menschenbild, das festschreibe, wie jemand zu sein und sich zu verhalten habe, so Winter, und wer diesem nicht entspreche, werde an den Rand gedrängt. Die Knabenbeschneidung werde zunehmend als Eingriff in Kinderrechte und die körperliche Unversehrtheit verstanden, Minderheiten, wie Flüchtlinge, Ausländer und Muslime würden stärker abgelehnt und Hassrede nehme zu. Antisemitismus gehöre für Juden zum Alltag.

Herbert Winter fragte, ob die Schweiz immer noch ein Land der Vielfalt sei, wo man trotz Unterschieden friedlich zusammenlebe. Er spüre in der Gesellschaft einen Wunsch nach einem Land, wie zu Gotthelfs Zeiten. Es gelte aber, sich für ein Land einzusetzen, in dem man in Vielfalt zusammenlebe, denn Unterschiede seien schön.

Stärkung nach Innen – Öffnung nach Aussen
Wer wisse, wer er sei, werde nicht durch einen Dialog mit Anderen infrage gestellt, sagte Rabbiner Noam Hertig, ICZ-Rabbiner. Er nahm mit seiner Aufforderung zum Dialog auf ein Motto des ehemaligen SIG-Präsidenten Michael Kohn Bezug: «Stärkung nach Innen – Öffnung nach Aussen».

Stadt Zürich wird sich auch an den Sicherheitskosten beteiligen
Für den Stadtrat sei es eine klare Sache, dass die Stadt Zürich sich auch an den Sicherheitskosten zum Schutz von Minderheiten beteiligen werde, sofern der Bundesrat die neue Verordnung zur Gewährleistung der Sicherheit von Minderheiten so in Kraft setzen werde, wie sie in die Vernehmlassung gegangen sei, sagte Corinne Mauch, Stadtpräsidentin von Zürich.

Drei Zürcher SIG-Gemeinden in der Gastgeberrolle
Laut Bernhard Korolnik, Präsident der Israelitischen Religionsgesellschaft (IRG), war dies die erste Delegiertenversammlung bei welcher alle drei Zürcher SIG-Gemeinden gemeinsam Gastgeber waren: die Israelitische Cultusgemeinde Zürich ICZ, die Israelitische Religionsgesellschaft IRG und die Jüdische Gemeinde Agudas Achim. Sie würden die rund 6.000 Juden in Zürich und Umgebung vertreten. Auslösendes Moment für die vermehrte Zusammenarbeit sei das gemeinsame Anliegen der Sicherheit gewesen, so Korolnik.

Alle Reden der Abendveranstaltung stehen auf der SIG-Webseite als Download zur Verfügung:
https://www.swissjews.ch/de/news/sig-news/sig-abendveranstaltung-ueber-500-gaeste-hoerten-bundesrat-ignazio-cassis-zu/

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