Symbolbild zu Solidarität © Foto: Stefano Ferrario from Pixabay

«Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.»

Bern/Schweiz | 31.10.2019 | APD | Schweiz

Viele Kirchgemeinden und Kirchenmitglieder unterstützen Menschen in Not und gewähren ihnen Schutz, unabhängig von deren Aufenthaltsstatus in der Schweiz. Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund SEK ist besorgt über die zunehmende, strafrechtliche Verfolgung dieses Engagements. Deshalb fordert er Staat und Justiz auf, mitmenschliche Solidarität nicht zu kriminalisieren!

Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund schreibt in seiner Medienmitteilung: Immer mehr Asylsuchende und Flüchtlinge werden aufgrund einer verschärften Asylpraxis in die staatliche Nothilfe abgedrängt. Von Ausbildungs- und Integrationsangeboten ausgeschlossen, ohne Arbeitsbewilligung und teilweise in unterirdischen oder weit abgelegenen Zentren untergebracht, wird ihnen oft jahrelang eine zermürbende und perspektivlose Lebenssituation zugemutet. In dieser Not ist die Kirche eine wichtige Anlaufstelle für die Betroffenen.

Personen, die sich für Menschen in Not engagieren, riskieren mit ihrem Handeln – häufig unwissentlich – eine strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung. Nach Artikel 116 des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) macht sich strafbar, wer den rechtswidrigen Aufenthalt einer Ausländerin oder eines Ausländers fördert. Dazu können bereits regelmässige Hilfeleistungen zählen. Auch Kirchenmitglieder und Pfarrpersonen werden verurteilt, weil sie abgewiesene Asylsuchende unterstützen.

Der Kirchenbund verwahrt sich dagegen, dass mitmenschliche Solidarität – Hilfe aus achtenswerten Gründen – unter Strafe gestellt wird. Seit Jahrzehnten bieten Kirchen und ihre Mitglieder eine Vielfalt an Begleitungsformen und Unterstützungsleistungen für Schutzsuchenden an, ohne aufenthaltsrechtliche Bedingungen zu stellen. Ob die Unterstützten als anerkannte Flüchtlinge in der Schweiz leben, nur vorläufig aufgenommen wurden oder das Land verlassen müssen, spielt keine Rolle.

Die kirchliche Solidarität mit Flüchtlingen und Asylsuchenden, gegen die der Staat aktuell rechtlich vorgeht, gründet in einer bereits biblisch bezeugten Asylpraxis. Diese zieht sich als Kirchenasyl durch die gesamte Kirchengeschichte. «Kirchliches Handeln orientiert sich ausschliesslich an der Notsituation, in der sich die Betroffenen wiederfinden, nicht an ihrem rechtlichen Status oder der Farbe des Aufenthaltspapiers», so Esther Gaillard, Vize-Ratspräsidentin des Kirchenbundes. Biblische Solidarität macht nicht an den Grenzen staatlichen Rechts halt.

Der Kirchenbund appelliert an die politischen Verantwortungsträgerinnen und -träger, das solidarische Handeln der Kirchen für Menschen in Not nicht zu erschweren, sondern rechtlich zu schützen und zu stützen.

Biblisch-theologische Einsichten zum Kirchenasyl
In den kurzen, vertieften Erläuterungen zur Medienmitteilung begründet der SEK unter dem Titel «Die konkrete Notlage unterbricht die Automatik des Rechts», dass die kirchliche Solidarität mit Asylsuchenden und Flüchtlingen in einer «biblisch bezeugten Asylpraxis» gründe: «Das Kirchenasyl zieht sich durch die gesamte Kirchengeschichte. Dahinter stehen unterschiedliche, sich wechselseitig ergänzende biblisch-theologische Einsichten: 1. der Vorrang der Gewissensorientierung an Gottes Gebot gegenüber staatlichem Recht; 2. die seelsorgerliche Einladung zur Begegnung mit der Person unabhängig von der Beurteilung ihres Status, ihrer Taten oder ihrer Herkunft; 3. die Barmherzigkeit mit den Schwachen, Notleidenden und Hoffnungslosen; 4. der inklusive Charakter des biblischen Missionsauftrags; 5. die Solidarität des wandernden Gottesvolkes Kirche (Calvin) mit allen Wandernden und Flüchtenden dieser Welt; 6. die Pflicht zur Nothilfe im Anschluss an die mittelalterliche Lehre vom gerechten Krieg: «Wer nicht gegen Unrecht, das seinem Nächsten droht, soweit er kann, kämpft, ist ebenso schuldig wie der, der es diesem antut» (Ambrosius); 7. die symbolische Form bürgerlichen Ungehorsams, die in der Bibel und kirchlichen Tradition als ultima ratio gefordert wird.»

PDF zum Thema: «Vertiefte Erläuterung aus kirchlicher Sicht»
https://www.kirchenbund.ch/sites/default/files/erlaeuterungen_kriminalisierung_der_solidaritaet_d.pdf

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