Symbolbild Buch © Foto: pexels/pixabay

Buchrezension: Lust auf Gott – Einführungen in die christliche Mystik

Basel/Schweiz | 09.03.2020 | APD | Buchrezensionen

Werner Thiede, Lust auf Gott – Einführungen in die christliche Mystik, LIT-Verlag; März 2019, 232 Seiten, Taschenbuch, 19,90 €, ISBN-10: 3643142633 ISBN-13: 978- 3643142634

Modeerscheinung: Mystik. Trotz allgegenwärtiger Religionskritik ist wieder eine gewisse Renaissance von Religion und Spiritualität unter dem Trendwort Mystik festzustellen. Der emeritierte Professor und Weltanschauungsexperte, Werner Thiede, widmet sich dieser Thematik und will grundsätzlich Orientierung aus christlicher Perspektive geben. Es soll allerdings trotz etlicher Beispiele ausdrücklich kein Erbauungsbuch darstellen, sondern als Sach- und Fachbuch Annäherung an das unübersichtliche Thema ermöglichen. Thiede will dabei zum eigenen Urteil befähigen und ruft Christen grundsätzlich zur Wachsamkeit auf. Vorwort, Einleitung, Schlussgedanke und Literaturhinweise runden die Ausführungen ab.

Was ist Mystik?
Der Autor führt aus, dass Mystik schwer zu definieren, jedoch in allen Religionen zu finden sei. Mystik sei wesenhaft auf Innerlichkeit bezogen, ohne jedoch zwangsläufig in Gestalt aussergewöhnlicher Bewusstseinszustände aufzutreten. Rauschhaftigkeit und ziellose Selbstvergessenheit sind trotz aller Geheimnishaftigkeit nicht Ziel von mystischer Erfahrung. Auch radikale Wirklichkeitsflucht und enthusiastische Versuche der Wirklichkeitsbeherrschung haben keinen Platz in wahrhaft mystischen Denkwegen. Mystik kann und soll auch nicht „transkonfessionell“ die Unterschiede einzelner Religionen und Konfessionen überwinden. Christliche Mystik würde sich hingegen davon nähren, sich von Gott geliebt zu wissen und einen Sinn im Leben zu entdecken. Feste Heilsgewissheit sei vielleicht die tiefste Form mystischen Bewusstseins, ohne die (selbst-)kritische Perspektive zu verlieren.

Zum Inhalt
Das Buch beinhaltet zwei grosse Teile. Im theoretischen Teil behandelt der Autor die Grundfragen der Mystik in acht Unterkapiteln. Dabei wird die Mystik in den Zusammenhang zu Lust, Erfahrung Spiritualität, kosmisches Bewusstsein, Naturwissenschaft, Synkretismus und Todesnähe gestellt. Das letzte Unterkapitel zeigt den wesentlichen und unvereinbaren Unterschied zwischen Substanz- und Liebesmystik auf, die sich allerdings, oberflächlich betrachtet, zum Verwechseln ähnlich sind. Dabei ist Substanzmystik eher kosmisch-apersonal und Liebesmystik personal orientiert. Dieser Unterscheid sei für Christen entscheidend. Während es einerseits dem Subjekt um die Verschmelzung mit dem Einen und eine Teilhabe an göttlicher Qualität geht, ist andererseits eine grösstmögliche Nähe zum Schöpfergott angestrebt, die als Liebesgeschenk verstanden wird. Erstere Mystik zeige eher regressive Elemente, letztere überwiegend progressive und führe somit weiter.

Im zweiten Hauptteil werden Beispiele christlicher Mystik genannt, wobei Thiede ausdrücklich auf die unterschiedliche Nähe und Ferne vom christlichen Zentrum verweist. Dieser Teil ist eine Neuauflage des bereits 2009 erschienenen Buches „Mystik im Christentum“. Die 34 biographischen Schilderungen sind dabei kurzgehalten und sollen skizzenhaft charakteristische Aspekte herausarbeiten. Dabei werden bekannte Persönlichkeiten wie Jesus von Nazareth, Paulus, Origenes, Hildegard von Bingen, Meister Eckhart, Luther, Kierkegaard mit eher unbekannten wie Christina Ebner, Jakob Böhme und Matin Pepper gegenübergestellt. Überraschend werden auch Karl May und Rudolf Steiner genannt.

Für die Lesenden
Das Buch ist als „intellektueller Reiseführer ins Gebiet der christlichen Mystik“ nuanciert und ausgewogen geschrieben. ist Es ist eine Stärke des Autors, akzentuiert und klug zu formulieren, somit auf die feinen Unterschiede aufmerksam zu machen und diese in einen grossen Zusammenhang zu stellen. Der Leser wird dadurch ermutigt Vorurteile abzubauen und sich selbst dem Thema anzunähern, ohne jedoch die kritische Perspektive zu verlieren.

Claudia Mohr

(3761 Zeichen)
© Nachrichtenagentur APD Basel (Schweiz) und Ostfildern (Deutschland). Kostenlose Textnutzung nur unter der Bedingung der eindeutigen Quellenangabe "APD". Das © Copyright an den Agenturtexten verbleibt auch nach ihrer Veröffentlichung bei der Nachrichtenagentur APD. APD® ist die rechtlich geschützte Abkürzung des Adventistischen Pressedienstes.