Eingang zu einem adventistischen Versammlungsraum in Foshan, Provinz Guangdong/China © Foto: From Adventism in China Digital Image Repository www.adventisminchina.org

Coronakrise: Religiöses Leben in China im und nach dem Lockdown

Sankt Augustin/Deutschland und Basel/Schweiz | 08.06.2020 | APD | Religion + Staat

Sankt Augustin/Deutschland und Basel/Schweiz | 08.06.2020 | APD | Laut CBS KULTUR INFO wurden in den ersten 20 Tagen im Januar die Stätten für öffentliche, kollektive, religiöse Aktivitäten aller Religionen in ganz China zur Vermeidung von Ansteckungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 schrittweise geschlossen. Dies erfolgte nach Angaben des Informationsdienstes «China heute» auf Anordnung der Regierungsbehörden. Die offiziellen leitenden Vorstände der fünf Religionen - Taoismus, Götter- und Ahnenkult, Buddhismus, Christentum und Islam - gaben entsprechende Bekanntmachungen heraus. Seit Anfang Juni dürfen Gottesdienste wieder durchgeführt werden, wenn Genehmigungen der Behörden vorliegen und Gesundheitsmassnahmen eingehalten werden.

Am 6. April gab der Staatsrat in einem Schreiben zum weiteren Vorgehen in der Corona-Bekämpfung bekannt, dass Veranstaltungsorte je nach Situation vor Ort nach und nach mit begrenzter Besucherzahl wieder den Betrieb aufnehmen können. Sportliche Grossveranstaltungen, kollektive religiöse Aktivitäten (Gottesdienste, Wallfahrten usw.), Ausstellungen und Messen dürfen jedoch nicht stattfinden. Am 20. April verzichteten die Buddhisten auf Versammlungen zur Feier des Geburtstags von Buddha, die Katholiken unterliessen im Marienmonat Mai alle Wallfahrten und führten keine Gottesdienste durch und auch der Fastenmonat Ramadan der Muslime war von den Einschränkungen betroffen. Begründet wurde das Verbot von Menschenansammlungen mit der Gesundheit von Pfarrern und Gläubigen sowie der Notwendigkeit einen Rückfall bei der Pandemiebekämpfung zu vermeiden.

Alle Religionen riefen zu persönlichem Gebet, Meditation, Lektüre religiöser Texte zu Hause in den Familien auf, die so zu «nicht registrierten Stätten für religiöse Aktivitäten wurden», wie der vatikanische Pressedienst AsiaNews kommentierte. Insbesondere wurde für die Corona-Opfer, die medizinischen Helfer und das Wohl des Landes und der betroffenen Regionen gebetet.

Religiöses Leben im Lockdown und Rolle der Religionsbehörden
Das Internet und die sozialen Medien dienten als ein Mittel, mit dem die Glaubensgemeinschaften das religiöse Leben in China seit der Schliessung der religiösen Stätten aufrechterhielten. In den chinesischen Städten existiert ein exzellentes Kommunikationsnetz. In ländlichen Gegenden gibt es bezüglich mangelnder Technisierung in den Gemeinden einen grossen Nachholbedarf. Kirchenmitglieder verlieren dort oft die Anbindung an ihre Gemeinden.

Der in Taiwan tätige katholische Pfarrer Willi Boehi beschreibt die Nutzung digitaler Medien in China während der Corona-Pandemie in "China heute" wie folgt: «Da wegen der Ausgangssperre in China ab dem 23. Januar alle zu Hause bleiben mussten, stiegen die zeitlichen Möglichkeiten und der Bedarf, noch häufiger als sonst an Bibelkreisen und Gottesdiensten per Apps teilzunehmen. Die lokalen Gemeinden haben entweder eigene Apps entwickelt oder eine Beteiligung an sozialen Kommunikations- Apps von den Telefongesellschaften gemietet. Das funktioniert bis heute gut. Es ist aber damit zu rechnen, dass die Behörden die Aktivitäten der Gemeinden im Internet nach Abflauen der Corona-Krise wieder einschränken werden.»

«Wir beobachten besorgt, dass Staaten die Pandemie gezielt nutzen, um Religionsgemeinschaften zu verfolgen», sagte Ulrich Delius, Direktor der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). In China erfasse der Staat die Bewegungsprofile der Gläubigen anhand ihrer Mobiltelefone: «Selbst Pastoren staatlich anerkannter christlicher Religionsgemeinschaften werden offen verfolgt, wenn sie auf soziale Medien wie WeChat ausweichen, um Gottesdienste zu feiern», so Delius. Gerade chinesische Hauskirchen, die im Untergrund operieren, leiden darunter, dass Internet-Auftritte systematisch von den Zensurbehörden geahndet werden.

Verschiedenen Zeitungsberichten zufolge wurden in einigen Regionen Chinas die Ausgangssperren von Regierungsbeamten dazu benutzt, in grossem Masse Kreuze an Gebäuden abzubauen oder gar zu zerstören.

Während der Corona-Krise haben die Religionsbehörden, so «China heute», die Zusammenarbeit der Religionsgemeinschaften bei der Seuchenprävention, etwa durch Schliessung der religiösen Stätten, der Stabilisierung der Emotionen ihrer Gläubigen sowie beim Sammeln von Spenden für die Nothilfe gewährleistet. Die Einheitsfrontabteilung der KP (Kommunistische Partei) äusserte sich Mitte Februar in einem Bericht positiv über den Beitrag der fünf Religionen zur Epidemiebekämpfung. Darin wurden die Religionen auch dafür gelobt, dass sie die Gläubigen dazu anleiteten, keine Gerüchte oder Irrlehren zu verbreiten - etwa solche, die die Epidemie als Vorzeichen für das Ende der Welt deuten und «wissenschaftlich und rational» mit der Epidemie umzugehen.

Viele Schwierigkeiten bei der Wiedereröffnung der Kirchen seit Anfang Juni
Die religiösen Stätten wie Kirchen und Tempel usw. waren wegen der Pandemie rund fünf Monate geschlossen. Seit Anfang Juni können die Kirchen wieder geöffnet werden. Dazu sind jedoch Genehmigungen aller Autoritätsebenen und Garantien für vorbeugende Gesundheitsmassnahmen erforderlich. Die religiösen Stätten waren die letzten Einrichtungen, die nach der Industrie, der Gastronomie, Kinos und Strassenmärkten, wieder öffnen durften.

Die Katholisch-Patriotische Vereinigung teilte am 29. Mai mit, dass «religiöse Stätten welche die Bedingungen der Epidemieprävention befolgen» ihre Gottesdienste ab 2. Juni schrittweise wieder aufnehmen können. Die Wiedereröffnung soll mit Predigten über die Liebe des Landes und mit patriotischen Liedern - gemäss den Regeln der seit September 2017 geltenden «Vorschriften für religiöse Angelegenheiten» - erfolgen. Diese Regeln fordern die Ausrichtung auf die «Sinisierung» (das Chinesischwerden) und den «Patriotismus» gegenüber der Kommunistischen Partei Chinas in jeder religiösen Geste.

«Um die Kirche wieder zu öffnen, müssen wir zuerst die Erlaubnis der Behörden auf allen Ebenen erhalten: aus Dorf, Stadt, Provinz, und dies erfordert Zeit und Reisen. Darüber hinaus müssen wir die Kirche darauf vorbereiten, die Gläubigen willkommen zu heissen und die sanitären Vorschriften zu gewährleisten, so der katholische Priester Paul aus Zentralchina in einem AsiaNews-Bericht. Die Kirchengebäude könnten nur unter der Bedingung wiedereröffnet werden, wenn die Kirchengemeinden Massnahmen zur Verhinderung von Pandemien wie Temperaturkontrolle, Masken, Desinfektionsmittel, Routen usw. garantierten, so AsiaNews.

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