Jakob Erzberger, als älterer Herr © Foto: Ellen G. White Estate

Zum 100. Todestag von Jakob Erzberger (*1843 - †1920)

Basel/Schweiz | 13.07.2020 | APD | Personen

Die Gründerzeit des Adventismus in der Schweiz ist untrennbar mit dem Namen des Baselbieters und Chrischona-Missionsschüler Jakob Erzberger verbunden. Er wurde zum ersten ordinierten Prediger der Adventisten in Europa sowie ein grosser Evangelist und Missionsstratege. Erzberger prägte die Anfänge der Freikirche in der Schweiz, Deutschland und anderen europäischen Ländern, schreibt Christian B. Schäffler* zum 100. Todestag von Jakob Erzberger am 13. Juli 1920.

Sissach – Liestal – Pilgermission St. Chrischona
Der Baselbieter wurde am 23. März 1843 in Seltisberg BL geboren. Sein Vater, Heinrich Erzberger, war Posamenter (auch Bandweber genannt) und starb als Jakob Erzberger drei Jahre alt war. Zusammen mit seiner Mutter und seinen drei Brüdern Heinrich Theophil (*1835), Johannes (*1841) und Kornelius (*1845) zog er nach Liestal, wo die vaterlose Familie auf Sozialfürsorge (Armenhilfe) angewiesen war. 1859 wurde Jakob in Liestal in der evangelisch-reformierten Kirche konfirmiert und bewarb sich um eine Stelle als Pförtner im dortigen Kantonsspital. Dass ihm diese Stelle zugesprochen wurde, schrieb Jakob einer Fügung Gottes zu und legte ein Gelübde ab. 1864 löste er sein Gelübde ein, in dem er sich als Missionsschüler in der Pilgermission St. Chrischona bei Basel, einem in pietistischer Tradition stehenden Missionswerk, einschrieb. Die Pilgermission bildete junge Männer aus, um sie als wandernde Missionare in die Schweiz auszusenden.

Erste Kontakte mit sabbathaltenden adventistischen Christen
Nach dem 1. Studienjahr auf St. Chrischona wurde er als Reiseprediger und Schriftenmissionar in den Berner Jura entsandt, wo er zeitweise im Gefängnis von Pruntrut auch als Gefängnisgeistlicher wirkte. In Tramelan (Tramlingen) stiess er 1867 auf eine Gruppe sabbathaltender Adventisten, die sich um den Laienmissionar Michael B. Czechowski gebildet hatte. Erzbergers Leben nahm eine Wende, als er in der Umgebung von Tramelan seine einzige Hose zerriss. Er fand einen Schneider, der ihm nicht nur seine Hose flickte, sondern ihm auch eine Bibelstunde über die Wiederkunft Jesu und den biblischen Sabbat hielt. Der Seminarist war vom Bibelwissen des Schneiders sehr beeindruckt.

Trennung von Missionsschule St. Chrischona
Als Erzberger im Herbst 1868 mit seinen neu gewonnen theologischen Einsichten in die Missionsschule St. Chrischona zurückkehrte, machte ihm der dortige Hausvater keine grosse Hoffnung unter diesen Umständen sein Studium fortsetzen zu können. Nach der Prüfung durch ein Komitee drückte der Schulinspektor Heinrich Rappard dem Missionsschüler sein Bedauern aus, dass er nicht im Seminar bleiben könne, entliess ihn und wünschte ihm Gottes Schutz und Geleit.

Prediger und Taufe bei den Adventisten
1868 beschloss Erzberger der kleinen sabbathaltenden Gruppe in Tramelan als Prediger zu dienen. Noch im gleichen Jahr liess er sich im Étang de la Gruère, einem Moorsee bei Saignelégier, taufen und schloss sich der von Czechowski gegründeten Gemeinde in Tramelan an.

Der Laienmissionar Czechoswki war wegen des eigenmächtigen Verhaltens seiner Anhängerschaft gekränkt und trennte sich 1868 von der Gemeinde Tramelan. Anfang 1869 zog er ohne seine Familie nach Osteuropa, auf der Suche nach Arbeit und Unterstützung.

Erste Kontakte mit Kirchenleitung der Siebenten-Tags-Adventisten in den USA
In den zurückgelassenen Papieren entdeckten die Mitglieder Hinweise auf die Existenz der 1863 in den USA gegründeten Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten. Sie nahmen brieflichen Kontakt auf und wurden eingeladen, einen Repräsentanten zur nächsten Tagung in die USA zu entsenden.

So wurde 1869 Jakob Erzberger als Schweizer Delegierter zur Sitzung der weltweiten Kirchenleitung (sog. "Generalkonferenz") nach Battle Creek im US-Bundesstaat Michigan entsandt, um mit der "Mutterkirche" der Siebenten-Tags-Adventisten Verbindung aufzunehmen, deren Existenz kurz zuvor in Europa noch unbekannt war. Die heutige weltweite protestantische Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten geht auf eine Erweckungsbewegung in den USA in der Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Die theologische Mitte des Adventismus bilden die gute Nachricht vom wiederkommenden Herrn (Endzeithoffnung) verbunden mit der biblischen Lehre des Sabbats als Ruhetag (Sabbatheiligung).

Begegnung mit John Harvey Kellogg
Also reiste Erzberger, der kein Wort Englisch sprach, in ein Land in dem er keinen Menschen kannte. Er wurde im Heim von James und Ellen G. White, den Mitbegründern der Freikirche, herzlich aufgenommen und erhielt von James White Bibelunterricht. Der junge Arzt John Harvey Kellogg gab ihm Englischunterricht. Dieser Kellogg (1852–1943) war übrigens - zusammen mit seinem Bruder Will Keith Kellogg - der Erfinder der Erdnussbutter sowie der weltbekannten "Kellogg's Corn Flakes".

Ordination als Prediger und Aufbau adventistischer Gemeinden in Europa
In den USA wurde Erzberger 1870 von den Pastoren James White und John N. Andrews offiziell zum Prediger ordiniert, mit der Missionsarbeit in Europa betraut und kehrte noch im selben Jahr in die Schweiz zurück. Zu jener Zeit existierten bereits adventistische Gemeinden in Tramelan, Le Locle, La Chaux-de-Fonds, Fleurier, Biel, Buckten BL und Neuchâtel. In den folgenden Jahrzehnten trug Erzberger als erster adventistischer Seelsorger in Europa wesentlich zum Aufbau des Adventismus in der Schweiz und in Deutschland bei. Nach Ankunft des Amerikaners John N. Andrews, dem ersten adventistischen Missionar der 1874 nach Europa gesandt wurde, arbeitete Erzberger zunächst eng mit diesem zusammen und nahm von Basel aus die Arbeit auf. Bereits 1875 folgten Erzberger und Andrews einer Einladung nach Deutschland, wo sie christliche Gruppen besuchten, die unabhängig von den Adventisten den biblischen Sabbat (Samstag) feierten. So entstand 1875 im Raum Wuppertal auf dem Boden einer pietistisch-freikirchlichen Erweckungsbewegung die erste Gemeinde der Adventisten in Deutschland, deren Organisation und Betreuung Erzberger übernahm. Zwischen 1876 und 1878 verfasste Erzberger verschiedene Traktate und Broschüren. Seine Veröffentlichungen waren die ersten adventistischen Schriften, die in Deutschland publiziert wurden.

Vortragstätigkeit in der Deutschschweiz und in Deutschland
Nach dem Tod von John N. Andrews im Jahr 1883 arbeitete Erzberger mit dem deutschen Missionar Ludwig R. Conradi zusammen, der von Hamburg aus eine systematische Missionstätigkeit entfaltete. Angesteckt von Conradis Missionseifer begann Erzberger mit Erfolg Vorträge über die prophetischen Schriften in der Bibel in verschiedenen Schweizer Städten (Basel, Bern, Lausanne und Zürich) zu halten. Für viele Jahre blieb Jakob Erzberger der einzige Adventistenprediger für alle Gemeinden in der Deutschschweiz.

Im Jahr 1903 verstarb Jakob Erzbergers Ehefrau Maria im Alter von 53 Jahren. Er war seit 1882 verheiratet und hatte zwei Söhne: Heinrich (* 1884) und Jakob (*1886). Von 1904 an arbeitete er hauptsächlich als reisender Evangelist in Deutschland. Im Jahr 1905 heiratete er in zweiter Ehe Maria Pauline Kaufmann (*1862) aus Lahr (Deutschland), die sich nun um Besserung seiner bereits angeschlagenen Gesundheit bemühte.

1906 kehrte er in die Schweiz zurück und unternahm weiterhin verschiedene Vortragsreisen. Wie aus seinen persönlichen Notizen zu entnehmen ist, arbeitete er oft weit über seine Kräfte. So hielt Jakob Erzberger beispielsweise im April 1906 eigenen Angaben zufolge 28 Bibelstunden, 49 Predigten und Wortverkündigungen und leitete 17 Kirchenversammlungen.

1910 schrieb er an seinen Sohn Heinrich: "Die Jahre eilen schnell dahin, Jesus wird kommen und man ist nicht bereit!"

Letzte Jahre in Gelterkinden und Sissach
Geschwächt durch Krankheit und sein aufopferndes Leben als Prediger, Missionar und Pionier verbrachte Erzberger seine letzten Lebensjahre in Gelterkinden, dann ab 1909 in Sissach, wo er am 13. Juli 1920 starb und auf dem dortigen Friedhof beerdigt wurde. Seine letzte Wortverkündigung hielt er am 24. April in der Adventgemeinde Sissach.

Gedenkveranstaltung für Jakob Erzberger am 24. Oktober 2020 in Tramelan wegen Corona abgesagt
Sein Todestag jährt sich in diesem Jahr zum 100. Mal. Aus diesem Anlass war am 24. Oktober in Tramelan eine offizielle Gedenkveranstaltung geplant. Sie hätte in der dortigen Kapelle stattfinden sollen, einem 1886 eingeweihten, historischen und unter Berner Heimatschutz stehenden Holzgebäude, das nach verschiedenen Besitzerwechseln 2014 von der Freikirche wieder zurückerworben wurde.

Obwohl dem grossen adventistischen Evangelisten und Missionsstrategen Jakob Erzberger keine grösseren organisatorischen Aufgaben in der Kirchenleitung übertragen wurden, zählt der Baselbieter heute zu den wichtigen Pioniergestalten der europäischen Adventbewegung.

Christian B. Schäffler, der Autor dieses Artikels, ist Fachjournalist für Kultur und Religion. Er lebt in Basel und ist bei inforel - Information - Religion in Basel für den Bereich »Freikirchen« zuständig.

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