Thomas Süssli, Chef der Armee; Peter Schneeberger, Präsident Freikirchen.ch; Stefan Junger, Chef Armeeseelsorge (v.li.) © Foto: Markus Baumgartner

Armeeseelsorge: Freikirchen werden Partner der Schweizer Armee

Pfäffikon, ZH/Schweiz | 02.11.2020 | APD | Religion + Staat

Nach Gesprächen, die eineinhalb Jahre gedauert haben zwischen der Armee und Vertretern von Kirchen sowie religiösen Gemeinschaften, welche die Armeeseelsorge in der heutigen Form anerkennen, wurde vom Dachverband Freikirchen.ch zusammen mit dem Réseau évangélique suisse (Reseaux.ch) eine Partnerschaft mit der Armeeseelsorge unterzeichnet. Freikirchen können nun ausgebildete Fachleute für den ökumenischen Dienst der Armeeseelsorge entsenden. Armeeseelsorger sind vor allem gefragt, wenn sich Armeeangehörige in Belastungssituationen befinden.

«Jetzt hat die Schweizer Armee mit der Armeeseelsorge für alle den ersten Pflock eingeschlagen. Das Treffen ist ein Zeichen des Respekts und des Dankes. Und es ist ein historischer Tag: Ein solches Treffen hat es in der Schweizer Geschichte noch nie gegeben», sagte Stefan Junger, Chef Armeeseelsorge.

Öffnung der Armeeseelsorge für weitere religiöse Gemeinschaften möglich
Laut Medienmitteilung der Schweizer Armee sei es in den Gesprächen von Korpskommandant Thomas Süssli, Chef der Armee und Stefan Junger, Chef Armeeseelsorge, mit den Vertretern von Kirchen und religiösen Gemeinschaften um eine „Öffnung der heutigen Armeeseelsorge im Einklang mit den Bedürfnissen einer zunehmend diversifizierten Gesellschaft“ gegangen. Die Milizarmee sei ein Spiegelbild der Gesellschaft und stehe deshalb auch im Austausch mit weiteren religiösen Gemeinschaften, die „vielleicht dereinst eine Partnerschaft eingehen werden“.

«Diesem Thema müssen wir uns stellen», so Süssli. Voraussetzung sei, dass es organisierte Religionsgemeinschaften sind. Mit ihnen würden exakt die gleiche Vereinbarung getroffen. Die Öffnung der Armeeseelsorge für andere Religionsgemeinschaften erfolge bewusst. «Wir wollen unter anderem auch der religiösen Herkunft der Armeeangehörigen gerecht werden. Vor diesem Hintergrund sind diese Partnerschaften zustande gekommen», erklärte Stefan Junger. Wie hoch der Anteil der einzelnen Religionen in der Armee ist, weiss man nicht. Es gibt keine Erhebung zur Religionszugehörigkeit, weil die Konfession als schützenswerte Information betrachtet wird.

«Prinzipien der Armeeseelsorge»
Bisher waren in der Armeeseelsorge 170 Milizseelsorgende der Evangelisch-reformierten Kirche, der römisch-katholischen Kirche und der Christkatholischen Kirche, tätig. Beim Treffen zwischen Armee und Kirchen vereinbarten beide Seiten die Eckpunkte einer modernen Seelsorge für Armeeangehörige. Unter dem Motto «Eine Armeeseelsorge für alle – auf dem Weg zur Diversität» wurde die Basis moderner Seelsorge vorgestellt. «Ein solches Treffen hatte es zuvor noch nie gegeben», schreibt die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS) in einer Medienmitteilung. Die drei Landeskirchen und der Verband Freikirchen.ch hatten die Grundlagen und Arbeitsweisen der Armeeseelsorge im Frühjahr schriftlich anerkannt.

Die daraus entstandenen «Prinzipien der Armeeseelsorge» halten fest, dass die Armeeseelsorge ihre Tätigkeiten ohne Unterschied zugunsten aller Angehörigen der Armee ausrichtet. Die seelsorgliche Beratung, Begleitung und Unterstützung ist menschen-orientiert und ergebnisoffen. Armeeseelsorgende begegnen den Angehörigen der Armee in ihren religiösen, kirchlichen, konfessionellen und weltanschaulichen Überzeugungen in ökumenischer und interreligiöser Offenheit.
Die «Prinzipien der Armeeseelsorge» halten aber auch die Erwartungen der Armee an die Religionsgemeinschaften fest: Sie dürfen künftig geeignete Kandidatinnen und Kandidaten für die Armeeseelsorge empfehlen und werden aktive Unterstützung im Gewinnen geeigneter Personen leisten. Sie unterstützen Armeeseelsorgende strukturell und etablieren einen regelmässigen Dialog über eine Kontaktperson mit dem Chef der Armeeseelsorge. Die Prinzipien gelten für alle Partner gleichermassen. Dies gibt auch anderen Religionsgemeinschaften, sofern sie in einem schweizweiten Dachverband organisiert sind, die Möglichkeit, sich zukünftig in der Armeeseelsorge zu engagieren.

Freude bei den Freikirchen
«Wir freuen uns über diese Partnerschaft mit der Armeeseelsorge der Schweizer Armee. Es ist für uns ein wichtiger Dienst zugunsten der Gesellschaft», sagt Peter Schneeberger, Präsident von Freikirchen.ch, dem Dachverband der Freikirchen und christlichen Gemeinschaften. Freikirchen.ch ist ein nationaler Kirchenverband mit 20 freikirchlichen Bewegungen aus der Deutschschweiz, zu denen über 750 örtliche Kirchen mit ihren diakonischen Werken gehören. Jean-Luc Ziehli, Präsident des Réseau évangélique suisse (Reseaux.ch) ergänzt: «Das gegenseitige Vertrauen und der Bedarf an Nachwuchskräften machen das möglich. Wir werden unseren ökumenischen Dienst verantwortungsvoll wahrnehmen.»

Armeeseelsorge in der Schweizer Armee
Die Armeeseelsorge hat einen Sollbestand von 170 Angehörigen. Alle zwei Jahren werden 30 bis 40 neue Leute benötigt. Am 2. November sind 36 Personen eingerückt, die alle von der Armee selber rekrutiert werden. «Wir haben jede einzelne Person händeringend gesucht. Für den Soldaten zählt, ob einer da ist oder nicht. Mit der Vereinbarung gehen wir nun davon aus, dass uns die Kirchen bei der Suche nach neuen Seelsorgern aktiv unterstützen. Unsere Partner stehen nun in der Pflicht», erklärte Stefan Junger. «Nun haben beide Seiten ihre Verpflichtungen», ergänzte Armeechef Thomas Süssli. Von den 36 Personen, die heute einrücken, stammen sieben aus Freikirchen.

Empfehlung und Ausbildungskurs
Neue Armeeseelsorger müssen eine Empfehlung mitbringen minimal eine militärische Grundausbildung absolviert haben - oder bereit sein, diese noch nachzuholen - und einen dreiwöchigen technischen Lehrgang der Armeeseelsorge selbst besuchen. Momentan gibt es rund 170 Armeeseelsorger. «Mit Ihrer Unterschrift respektieren Sie den Einsatz, der mit einer Verpflichtung innerhalb der Armeeseelsorge zum Wohle aller Militärangehörigen verbunden ist», erklärt Stefan Junger, Chef der Armeeseelsorge.

Was tun Armeeseelsorger?
Die Armeeseelsorger haben Teil am Leben der Angehörigen der Armee. Sie stehen ihnen in den schönen und auch in den schwierigen Momenten zur Seite. Sie nehmen alle Menschen ernst, welchen Glauben oder welche Weltanschauung auch immer diese haben. Es sind Anlaufstellen, wo die Soldaten mit ihren Fragen hinkönnen. Der Armeeseelsorger lebt eng mit der Truppe zusammen und hört sich die Anliegen der Dienstpflichtigen an. In jeder Einheit ist ein Armeeseelsorger zuständig, an den sich die Angehörigen der Armee direkt wenden können. Die Arbeit erfährt grosse Wertschätzung, auch wenn heute nur noch ein Teil der Soldaten im Zivilen Kontakt zu einer Kirche hat.

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