Oliver Gall (li.) und Christian Rommert berichteten über die Prävention des Missbrauchs von Kindern und sexueller Gewalt. © Fotos: privat / Wolfgang Wedel

Deutschland: Freikirchen sollen für Kinder sichere Orte sein

Ostfildern/Deutschland | 29.11.2021 | APD | Freikirchen

Kirchgemeinden sollen für Kinder und Jugendliche sichere Orte sein, an dem sie vor Missbrauch und Gewalt geschützt sind. Dieses Anliegen bildete das Schwerpunktthema der Mitgliederversammlung der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF). Die Delegierten der 15 Mitgliedsbünde befassten sich bei ihrer Online-Sitzung am 23. und 24. November darüber hinaus mit dem „Zukunftsthema Pastorenausbildung“ und dem politischen Engagement der Freikirchen.

Adventisten mit Fachbeirat „Sexueller Gewalt begegnen“
Rechtsanwalt Oliver Gall, Leiter des Fachbeirats „Sexueller Gewalt begegnen“ der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, beschrieb zunächst die grundsätzliche Bedeutung des Themas. Rechne man die Dunkelziffer ein, müsse man von 240.000 Fällen von Kindesmissbrauch im Jahr allgemein in Deutschland ausgehen. Eine Herausforderung für die Arbeit in Kirchgemeinden sei, dass soziale Nähe im Gemeindekontext Tätern den Missbrauch erleichtern könne, wenn man nicht präventiv dagegen vorgehe. Deshalb betreibe seine Kirche aktive Vorbeugung, mit einem Verhaltenskodex für Mitarbeitende, Publikationen und Schulungen. Wenn ein Missbrauchsfall gemeldet wird, ist bundesweit ausschliesslich der Fachbeirat für dessen Bearbeitung zuständig. „Keine Weisungsbefugnis durch die Kirchenleitung, finanzielle Unabhängigkeit und absolute Vertraulichkeit der Gespräche mit den Opfern“ nannte Oliver Gall als einige der prägenden Merkmale der Arbeit des Fachbeirats.

Adventisten in der Deutschschweiz im deutschen Fachbeirat vertreten
Heidi Albisser ist als Vertreterin der Adventisten in der Deutschschweiz im Fachbeirat „Sexueller Gewalt begegnen“ der Adventisten in Deutschland. Die Adventisten in der Deutschschweiz haben nicht genügend fachliche und personelle Ressourcen, um ein eigenes kompetentes Gremium zu unterhalten. Probleme in der Deutschschweiz werden durch den deutschen Fachbeirat begleitet. Die Adventisten in der Deutschschweiz haben auch die deutschen Broschüren „Sexueller Gewalt begegnen“ und «Wenn ich mal nicht weiterweiss» unter Mithilfe von Kinderpsychologen und Fachstellen auf die Verhältnisse in der Schweiz überarbeitet und angepasst.

Download der Handreichung: «Sexueller Gewalt begegnen» (Schweizer Version)
https://www.adventisten.ch/fileadmin/adventisten.ch/files/dateien_pdf/Sexueller_Ausbeutung_Missbrauch_begegnen_120403.pdf

Download der Handreichung: «Wenn ich mal nicht weiterweiss» (Schweizer Version)
https://www.adventisten.ch/fileadmin/adventisten.ch/files/dateien_pdf/Wenn_ich_mal_nicht_weiter_weiss_Broschuere_Missbrauch_150915.pdf

BEFG mit Anlaufstelle für Opfer sexueller Gewalt
Christian Rommert vom Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG – Baptisten und Brüdergemeinden) stellte das Konzept seiner Freikirche vor, die seit 2008 „Auf dem Weg zur sicheren Gemeinde“ ist. Seit 2018 gibt es eine von Rommert mitentwickelte Anlaufstelle für Opfer sexueller Gewalt, bei dessen Betrieb der BEFG mit einer unabhängigen externen Einrichtung zusammenarbeitet. Für Gemeinden sei es wichtig, für das strategische Vorgehen von Tätern sensibilisiert zu werden und Gegenstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Hier gibt es im BEFG umfassendes Material.

Evangelisch-methodistischen Kirche mit „Notfallplan“
Bischof Harald Rückert berichtete über Prävention und Intervention in der Evangelisch-methodistischen Kirche. Die Kirche hat verschiedene Materialien wie einen „Notfallplan“ herausgegeben. Für Missbrauchsopfer gibt es mehrere Kontaktstellen. Gemeinden, in denen Missbrauch stattgefunden hat, können externe Beratung in Anspruch nehmen.

In der anschliesenden Diskussion schilderten Vertreterinnen und Vertreter anderer VEF-Kirchen über ihre Schutzkonzepte. Es wurde deutlich, dass die Bünde präventiv gut aufgestellt sind. Hinsichtlich der Intervention bei Missbrauchssituationen will die VEF prüfen, wie ein gemeinsames Vorgehen aussehen könnte, das ein – von den Kirchen unabhängiges – geregeltes Verfahren gewährleistet.

Politisches Engagement und Theologische Ausbildung
Konstantin von Abendroth, der VEF-Beauftragte am Sitz der Bundesregierung, stellte aktuelle Schwerpunkte seiner Arbeit dar. Eines der Themen, mit denen er sich zurzeit vertieft befasst, ist der Einsatz gegen Antisemitismus. Prof. Dr. Michael Kisskalt, Rektor der Theologischen Hochschule Elstal (BEFG), berichtete in der Mitgliederversammlung über die Treffen der von ihm geleiteten VEF-Arbeitsgruppe „Theologische Aus- und Weiterbildung“. Vertreterinnen und Vertreter aller freikirchlichen Ausbildungsstätten tauschen sich dort aus. „Die Hochschulen müssen immer wieder neue Wege gehen, um Menschen für das Studium und auch den pastoralen Dienst in den freikirchlichen Gemeinden zu begeistern“, so Kisskalt. Beliebt seien aktuell Studiengänge, in denen Theologie mit einem anderen Fachgebiet, etwa der Sozialen Arbeit, kombiniert wird. Ein fundierter theologischer Schwerpunkt sei für den Gemeindedienst jedoch unerlässlich.

Über die VEF
Die Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) wurde 1926 gegründet. Ihr gehören zwölf Mitglieds- und drei Gastkirchen, darunter auch die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, an. Verschiedene Arbeitsgruppen der VEF befassen sich mit Themen wie Evangelisation und missionarischem Gemeindeaufbau, gesellschaftlicher Verantwortung, Rundfunkarbeit, Angeboten für Kinder und Jugendliche oder theologischer Aus- und Weiterbildung.

Weitere Informationen: www.vef.de

(5057 Zeichen)
© Nachrichtenagentur APD Basel (Schweiz) und Ostfildern (Deutschland). Kostenlose Textnutzung nur unter der Bedingung der eindeutigen Quellenangabe "APD". Das © Copyright an den Agenturtexten verbleibt auch nach ihrer Veröffentlichung bei der Nachrichtenagentur APD. APD® ist die rechtlich geschützte Abkürzung des Adventistischen Pressedienstes.