Methodismus: "Kirchenvater" John Wesley vor 300 Jahren geboren

Basel/Schweiz | 29.06.2003 | APD | Personen

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Methodisten in 119 Ländern feiern Geburtstag
"Kirchenvater" John Wesley vor 300 Jahren geboren

von Karl Heinz Voigt*

Der Gründer des Methodismus, John Wesley, wurde am 17. Juni 1703 geboren. Im anglikanischen Pfarrhaus zu Epworth, England, ahnte damals niemand, dass dieser John Wesley in der Weltchristenheit ein einflussreicher Reformer werden sollte.

Martin Luther (1483-1546) hatte die unglaubliche Botschaft von der bedingungslosen Annahme des Gottlosen von Gott wiederentdeckt. Die konfessionellen, politischen und gesellschaftlichen Folgen sind bis heute wirksam. 200 Jahre nach ihm predigte der anglikanische Pfarrer John Wesley (1703-1791) diese Botschaft auf der britischen Insel erneut. Aber die Umstände hatten sich verändert, da die englische Aufklärung Wirkung zeigte. Das hatte auch Einfluss darauf, wie diese Botschaft Menschen, die nicht mehr an Gott glaubten, verkündigt werden musste.

Es waren nicht mehr die "Landesherren", die über Konfession und Glaubensrichtung ihrer "Untertanen" bestimmen konnten, die als mündige Bürger in der Lage waren, selber zu entscheiden, ob sie überhaupt als Christen leben wollten. Und wenn sie es wollten, dann konnten sie selber entscheiden, ob sie sich einer anglikanischen, reformierten, katholischen oder freikirchlichen Gemeinde – Lutheraner gab es in England kaum - anschliessen wollten. Die Aufklärung brachte Religions- und Glaubensfreiheit für jeden einzelnen. Eine Konsequenz war, in einer anderen Art zu predigen. Die Zeit, dass alle Einwohner automatisch zu einer bestimmten Kirche gehörten, neigte sich dem Ende zu. Für die Kirche hiess das: Die Predigt wurde zu einem einladenden Ruf, am Glauben und am Leben der Kirche teilzunehmen. Und der selbstbewusste Zeitgenosse antwortete diesem Ruf in eigener Verantwortung: Er sagte Ja oder auch Nein.

John Wesley war einer von den Ersten, die diese neue Situation erkannten. Er wartete nicht mehr auf die Menschen in der Kirche, sondern ging dorthin, wo sie waren. Er sprach sie nicht mehr als Gläubige an, sondern rief sie auf, den Glauben anzunehmen. Mission als Gewinnung von Menschen für den Glauben begann nicht mehr in Grönland oder auf den Malediven, sondern in der eigenen Stadt, ja in der eigenen Gemeinde.

Damit leitete Wesley ein neues Selbstverständnis der Kirche ein: Sie war nicht mehr das Betreuungszentrum für die Frommen, sondern eine Missionsstation für solche, die die Botschaft von Gottes Gnade als eigene Lebenserfahrung brauchen. Jede Gemeinde ist demnach eine Missionsstation im eigenen Stadtteil. Und wo es solche Gemeinden nicht gibt, da müssen sie gegründet werden. Ihre Aufgabe ist es, das Wort von Gottes vorbehaltloser Liebe zu bezeugen und zwar durch Wort und Tat.

John Wesley hat nicht nur die Predigt revolutioniert. Er hat die sozialen Konsequenzen mit denen gestaltet, die sich in die Nachfolge Christi rufen liessen. Dadurch sind Dörfer und Städte verändert worden, auch gesellschaftliche Strukturen: Durch die Abschaffung der Sklaverei zum Beispiel. Es ging Wesley immer auch um die Erneuerung der Welt. Er und seine Nachfolger haben nicht in zwei Bereichen gedacht: Hier die Kirche und dort die Welt. Auch nicht gestritten: Zuerst das Wort und dann die Tat. Weil glauben lieben heisst, darum waren Predigt und Diakonie von Anfang an eine Einheit. Es war kein besonderes theologisches Süppchen, das Wesley und die Methodisten gekocht haben. Was sie bewegt hat, war nichts anderes als die reformatorische Botschaft, die aber unter neuen gesellschaftlichen Bedingungen verkündigt wurde.

Dadurch entstand eine weltweite Kirchenbewegung, die – weil sie nicht im Streit entstand – in ökumenischer Freundschaft mit allen christlichen Kirchen zusammenarbeitet; heute in 119 Ländern. Sie wächst immer noch, leider nicht in Deutschland. 70,2 Millionen Anhänger sind nicht das Ergebnis landesherrlicher Vorgaben. Es sind die Folgen individueller Entscheidungen, in diesem Strom der Christenheit beheimatet zu sein.

Der Methodismus hatte auch Auswirkungen auf andere Kirchen. So betonen beispielsweise auch die Siebenten-Tags-Adventisten die persönliche Entscheidung des Menschen für Christus und die Notwendigkeit der Heilsgewissheit durch die Erlösungstat Jesu. Ellen G. White, Mitbegründerin der Freikirche, stammte aus einer methodistischen Familie. Daher erscheint es nicht verwunderlich, dass die Gottesdienstform weitgehend von den Methodisten übernommen wurde. Als sich die Adventisten ab 1861 zu organisieren begannen, geschah dies nach methodistischem Vorbild. Ihre oberste weltweite Kirchenleitung heisst ebenfalls "Generalkonferenz", und die Pastoren sind wie bei den Methodisten nicht bei den Ortsgemeinden angestellt, sondern bei den "Konferenzen", die für die Gemeinden bestimmter geographischer Gebiete zuständig sind.

* Karl Heinz Voigt, Bremen (Deutschland), ist Pastor i. R. der Evangelisch-methodistischen Kirche.

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