Himalaja-Staat Bhutan unterdrückt Christentum

Thimphu/ Bhutan | 11.01.2004 | APD | Religionsfreiheit

Das Christentum im Königreich Bhutan wird nach den Worten des katholischen indischen Bischofs Stephen Lepcha unterdrückt. Heute sei es Christen dort bei schwerer Strafe verboten, öffentliche Gottesdienste zu feiern oder ihren Glauben anderweitig zu praktizieren, betonte das katholische Oberhaupt von Darjeeling (Indien), zu dessen Diözese Bhutan kirchenrechtlich gehört. Der buddhistische Staat zwischen Indien und China garantiere seinen Bürgern kein Recht auf Religionsfreiheit, meldet auch der vatikanische Missions-Nachrichtendienst „Fides“. Schätzungsweise 65 000 Christen würden in dem im Himalaja gelegenen Kleinstaat terrorisiert und bedroht. Nicht-Buddhisten seien seit längerer Zeit politischen und sozialen Diskriminierungen ausgesetzt.

In Bhutan ist der Buddhismus Staatsreligion. Von jeher waren Geschichte und Religion in diesem Land eng verknüpft. Der bhutanische Buddhismus, der hauptsächlich die Traditionen der in Tibet gegründeten „Drachenschule“ (Drugpa Kagyü) sowie die „Schule der Alten“ (Nyingmapa) fortführt, nimmt im Lande eine staatstragende Position ein. Bhutan ist das einzige Land der Welt mit dieser Variante des tibetischen Buddhismus als Staatsreligion. Sein Einfluss ist in allen Bereichen des Lebens zu spüren.

Dass auch der Buddhismus, der in westlichen Breiten gerne als besonders friedliche Religion dargestellt wird, einen menschenverachtenden Umgang mit Christen betreiben kann, zeigt der Staat Bhutan: Heute ist dort jede öffentliche Versammlung einer anderen Religion gesetzlich verboten und wird verfolgt. Christliche Hilfswerke stehen unter absolutem Missionsverbot.

Bis Mitte der sechziger Jahre war das Land des Donnerdrachens (=Bhutan) für jegliche christliche Mission vollkommen verschlossen. Erst 1963 kamen die Jesuiten und 1965 die Salesianer auf Einladung in das Land, um dort im Bildungswesen tätig zu sein. Nachdem sich in den folgenden 25 Jahren die Lage der Christen geringfügig entspannt hatte und die wenigen, meist aus Indien stammenden Christen unterschiedlicher Konfessionen mehr Menschen zum christlichen Glauben führen konnten, folgten neue Beschränkungen. Einheimische Christen verloren ihre Arbeit. Es wurde die Überwachung aller christlichen Hausversammlungen angeordnet. 1982 wurden die Salesianer des Proselytismus beschuldigt und ausgewiesen. Der einzige katholische Priester, dem es erlaubt war, im Land zu arbeiten, starb 1995. Im gleichen Jahr wurde erstmals ein Einheimischer zum katholischen Priester geweiht.

Besondere Schikanen für Christen melden Menschenrechtsorganisationen seit Ende der neunziger Jahre. So würden kirchliche Versammlungsräume immer wieder von Polizisten gestürmt und die Namen der Gläubigen erfasst. Mehrere protestantische Pastoren seien verhaftet und mit langen Gefängnisstrafen bedroht worden. Einigen Christen sei die Flucht gelungen. „Fides“ zitiert einen Christen aus Bhutan: "Derzeit ist im Land eine sehr harte Verfolgung im Gange. Von den Christen wird verlangt, abzuschwören oder das Land zu verlassen. Religionsfreiheit existiert nicht mehr. In einigen Städten können sich die Christen ihres Glaubens wegen nicht mehr versammeln. Sie werden in ihrer Arbeit nicht befördert, ihnen wird grundlos gekündigt, sie werden aus dem Land vertrieben. Ausserdem werden Handelslizenzen widerrufen und ihnen wird alle öffentliche Unterstützung verwehrt."

Die Zahlen des Himalaja-Staates bezüglich Einwohner und Religionszugehörigkeit schwanken, je nach Quelle, zwischen 800 000 und rund 2 Millionen Einwohner. Etwa 72 Prozent bekennen sich zum Buddhismus, 23 % Prozent zum Hinduismus, 4% zum Islam. Christen bilden eine Minderheit von knapp 0,5 Prozent.

Bhutan gehörte lange Zeit zu den abgeschiedensten und von Einflüssen der modernen Zeit am wenigsten berührten Ländern der Welt. Dieser Isolationismus wurde mit der Furcht eines Souveränitätsverlustes an die beiden mächtigen Nachbarn Indien und China begründet, aber auch mit der Bewahrung der jahrhundertealten Kultur und dem Schutz der Natur des Landes.

Internationale Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) und humanitäre Werke üben seit Jahren harsche Kritik an Bhutans Umgang mit seinen Minderheiten und werfen dem Land massive Menschenrechtsverletzungen, unter anderem ethnische Säuberungen, vor.

Zwischen 1989 und 1993 wurden im Zuge eines rigiden Bhutanisierungsprogramms mehr als 120 000 Menschen nepalesischer Abstammung, die so genannten „Lhotshampas“ (= Menschen aus dem Süden) ausser Landes verwiesen. Ihnen wurde vorgeworfen, sich der regierungsfeindlichen Opposition angeschlossen zu haben. Zur staatlich verordneten Vertreibung zählten Terror und Massenfestnahmen. Folter und Tod in Polizeigewahrsam, Vergewaltigungen, Plünderungen, Zerstörungen und Todesdrohungen zwangen viele Lhotshampas zur Flucht. Die Pässe der Flüchtlinge wurden von Regierungsbeamten beschlagnahmt, die Häuser zerstört oder verbrannt. Die meisten Vertriebenen leben seither in Flüchtlingslagern im Osten Nepals, die von der Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen (UNHCR) unterhalten werden. Mehrere Verhandlungen zwischen den Regierungen Bhutans und Nepals über die Repatriierungsfrage sind bislang ohne nennenswerten Erfolg geblieben. Bisher erklärte sich Bhutan lediglich bereit, einer kleinen Anzahl Flüchtlingen die Rückkehr zu erlauben.

Rund 140 Jahren schwiegen in Bhutan die Waffen. Am 15. Dezember 2003, also erst vor wenigen Wochen, griff die kleine Armee Bhutans zu den Gewehren und zerstörte 30 Camps von indischen Rebellen, die von Bhutan aus für ein von Indien unabhängiges Assam kämpfen. Die Regierung Bhutans erklärte dazu, sie sei nach sechs Jahren erfolgloser Gespräche mit den verschiedenen assamesischen Rebellenverbänden zu dieser Offensive gezwungen gewesen. Beobachter gehen davon aus, dass die bhutanische Militäroperation auf Druck Indiens erfolgte. Die etwa 6 000 Mann starke Armee Bhutans wird seit längerem von Indern in Dschungelkriegsführung trainiert. Der Kleinstaat spielt heute eine zentrale Rolle in Indiens strategischer Sicherheitspolitik als Pufferstaat gegenüber der Volksrepublik China.

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