Ein Jahr vor der Weltmissionskonferenz 2005 in Athen: Grösste christliche Missionstagung über Heilung und Versöhnung

Genf | 07.05.2004 | APD | Ökumene

Grundsatzkontroverse über Weltmission noch nicht überwunden

In einem Jahr, vom 9. bis 15. Mai 2005 findet in der griechischen Hauptstadt Athen die 13. Weltmissionskonferenz statt, zu der Teilnehmende aus der ganzen Welt erwartet werden. Vorbereitet wird die Tagung von der Kommission des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) für Weltmission und Evangelisation, mit Sitz in Genf. Gastgeberin der Konferenz ist die Apostolisch Orthodoxe Kirche Griechenlands.

Der Leiter der Gastgeberkirche, Erzbischof von Athen und Primas von ganz Griechenland, Christódoulos, begrüsste es, dass die Weltmissionskonferenz erstmals in einem Land stattfinden wird, in dem die orthodoxe Kirche mehrheitlich vertreten ist.

Unter dem Motto und Bittruf "Komm, Heiliger Geist, heile und versöhne" werden sich 500 kirchliche Delegierte mit dem nach wie vor kontroversen theologischen Verständnis des Sendungsauftrags Christi, der "Mission", der Kommunikation des Evangeliums, als Heilung und Versöhnung und sowie der Rolle des Heiligen Geistes bei der Umsetzung des neutestamentlichen Missionsbefehls (Missio Dei) beschäftigen. Die Tagung wird am 15. Mai 2005 mit einem Aussendungsgottesdienst auf dem Areopag abgeschlossen, wo Paulus den Athenern predigte und diejenigen, die an verschiedene Götter glaubten, aufrief, Gott zu suchen (Apg 17, 27).

Mit den zwei Begriffen "heile" und "versöhne" im Konferenzthema umschreibt der ÖRK das, was nach seiner Sicht heute wesentlich zur Mission gehört: Versöhnung und Heilung. Diese Begriffe weisen auf die Zielsetzung von Gottes Mission hin, beschreiben die entscheidenden Merkmale von Leben und Werk Jesu Christi und bringen die Hoffnung auf Frieden und Vergebung am Ende der Zeiten zum Ausdruck. Die Kirchen streben Versöhnung an und setzen dabei ihr Vertrauen in die Gegenwart und Kraft des heilenden Geistes Gottes. Das Motto der Konferenz erinnert gleichzeitig daran, "dass die Mission nicht unser, sondern Gottes ist; Gott, der Heilige Geist, ist unter uns gegenwärtig; er ist in der Kirche und in der Welt am Werk, " betont Kommission des ÖRK für Weltmission und Evangelisation.

Die Kommission definiert die spezifischen Zielsetzungen der Konferenz in sieben Punkten: 1) den Teilnehmenden neue Perspektiven, Energie, Mittel und Methoden zu vermitteln, damit sie den ganzheitlichen Missionsauftrag wieder mit Leben erfüllen können. 2) der Konferenz die Möglichkeit zu geben, eine lebendige Gemeinschaft der Versöhnung und der Heilung zu werden. 3) Heilung und Versöhnung zu erfahren, die Menschen verwandeln. 4) geschützte/heilige Räume bereitzustellen, wo Gedanken, Theorien und Geschichten ausgetauscht werden können und wo Dialog stattfinden kann. 5) danach zu streben, Zeichen der Versöhnung und Heilung unter den Kirchen zu sein. 6) unsere Einheit in Christus und unsere Vielfalt, die Gott uns geschenkt hat, zu feiern. 7) den Teilnehmenden zu helfen, Versöhnung und Heilung in ihre Kirchen, Gemeinschaften und Kontexte zu bringen und dort als Multiplikatoren zu wirken.

Dem Ökumenischen Rat der Kirchen gehören mehr als 340 Kirchen, Denominationen und Gemeinschaften orthodoxer, anglikanischer, reformatorischer, freikirchlicher und pfingstlicher Tradition in über 100 Ländern an. Ausserhalb des Weltkirchenrates stehen die römisch-katholische Kirche (mit nahezu 1 Milliarde Mitgliedern) und die christliche Weltgemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten (mit über 25 Millionen Gläubigen). Diese unterhalten jedoch auf verschiedenen Arbeitsfeldern Beziehungen zum ÖRK.

Rund 25% der Konferenzteilnehmenden in Athen werden aus evangelikaler, pfingstkirchlicher und römisch-katholischer Tradition kommen. Die Diskussionen werden also auch den wachsenden Einfluss dieser Konfessionen auf die christliche Mission reflektieren. Die Tagung wird sich zudem mit der Tatsache beschäftigen, dass die missionarische Bewegung heute weitgehend von Süden nach Norden verläuft.

Die Missionskonferenz 2005 fällt auch mit der Halbzeit der vom ÖRK proklamierten "Dekade zur Überwindung von Gewalt" (2001-2010) zusammen. Die Teilnehmenden werden sich daher auch Themen der Dekade widmen und Fragen nach Gebrauch, Missbrauch und falschem Gebrauch von Macht sowie nach religiöser Identität und Pluralität zur Sprache bringen. Der ÖRK ruft mit dieser "Dekade" alle Kirchen, ökumenischen Organisationen und alle Menschen guten Willens dazu auf, sich gemeinsam für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung auf lokaler, regionaler und weltweiter Ebene einzusetzen.

"In unserer globalisierten und bruchstückhaften Welt voller Spaltungen und Konflikte ist die Botschaft des Evangeliums von Heilung und Versöhnung lebenswichtig", erklärte die britische Baptistenpredigerin Ruth Anne Bottoms, die den Vorsitz der ÖRK-Kommission für Weltmission und Evangelisation und des Planungsausschusses für die Konferenz führt.

Die Tradition der Weltmissionskonferenzen geht auf die erste Konferenz 1910 in Edinburgh zurück, die das Fundament für die Gründung des Internationalen Missionsrats legte, der sich 1961 mit dem ÖRK zusammenschloss.

Bei der ersten Weltmissionskonferenz in Edinburgh 1910 standen noch nicht Grundsatzfragen der Missionstheologie auf der Tagesordnung, sondern praktische Fragen der Zusammenarbeit bei der Evangelisierung in Wort und Tat (Erziehung, Gesundheit usw.). Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Zerbrechen der Synthese von Christentum und westlicher Kultur deutlich. Es kam zwangsläufig zu heftiger Kritik an der so genannten "Westmission". Ein trinitarisches Missionsverständnis konnte die "Westmission" überwinden helfen, bescherte jedoch neue, bis heute nicht ausgestandene Grundsatzkontroversen über die "Weltmission". Der Wandel von der West- zur Weltmission brachte die Weltmissionskonferenz in Mexiko-Stadt 1963 mit der Formel "Mission in sechs Kontinenten" zum Ausdruck. Damit war nicht bloss eine geografische oder kirchlich-strukturelle Sache gemeint. Es verbanden sich damit grundlegende Probleme, die seit Anfang der 50er Jahre zu neuen missionarischen Konzeptionen für den "Welt"-Auftrag der Kirchen geführt hatten.

Seit Jahrzehnten gibt es zwei missionstheologische Modelle: das "heilsgeschichtliche", das bei der Sendung in die Welt den einzelnen Christen und die Kirche im Blick hat (Gott – Kirche – Welt), und das "verheissungsgeschichtliche", das die Welt als Ziel des umformenden Heilshandelns Gottes in den Blick nimmt, wobei die Christen und die Kirche Funktionsträger der Sendung Gottes in der Geschichte sind (Gott .- Welt – Kirche). Die traditionelle evangelische wie katholische Missionstheologie ist "heilsgeschichtlich" geprägt: Zwischen Himmelfahrt und Wiederkunft Christi geht es darum, die Herrschaft Christi durch Bekehrung einzelner Menschen zum Glauben sowie durch Pflanzung und Wachstum der Kirche in aller Welt aufzurichten.

Die "verheissungsgeschichtliche" Theologie prägte in den sechziger Jahren die ÖRK-Studie über die missionarische Struktur der Gemeinde und fand auch Eingang in einigen Missionstexten der ÖRK-Vollversammlung 1968 in Uppsala und 1975 in Nairobi sowie bei der Weltmissionskonferenz in Bangkok 1972/73, was einen erbitterten Widerstand der Evangelikalen hervorrief.

In der römisch-katholischen Kirche hat das "verheissungsgeschichtliche" Missionskonzept vor allem in der so genannten Dritten Welt, insbesondere in Lateinamerika, Fuss gefasst.

Im protestantischen Raum haben die beiden missionstheologischen Modelle seit Mitte der sechziger Jahre zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen "Evangelikalen" und "Ökumenikern" (gemeint sind Vertreter des ÖRK-Missionskonzepts) geführt. Die beiden gebräuchlich gewordenen Sammelbegriffe "Evangelikale" und "Ökumeniker" sind jedoch irreführend. Die heilsgeschichtliche Missionslinie wird nämlich nicht nur von evangelikalen Christen, sondern auch von zahlreichen Evangelischen und Orthodoxen vertreten. Und wenn in evangelikalen Kreisen "ökumenisch" als Sammelbezeichnung für ein verweltlichtes Heils- Missions- und Kirchenverständnis verwendet wird, so ist das ungerecht gegenüber den Ökumenikern, die auch beim ÖRK durchaus das skizzierte heilsgeschichtliche Missionsverständnis vertreten.

,

Die letzte ÖRK-Missionskonferenz des 20. Jahrhunderts fand 1996 in Salvador da Bahía (Brasilien) statt und war hauptsächlich der Beziehung zwischen Evangelium und Kulturen gewidmet. Aufgrund der weltpolitischen Umwälzungen 1989 und des zunehmenden Einflusses kultureller und ethnischer Identitäten auf gewalttätige Konflikte war es notwendig geworden, das Thema Kultur in missionstheologischer Perspektive neu zu untersuchen. Es wurde an das Gebot des Evangeliums erinnert, die Bekräftigung der eigenen kulturellen Identität mit der Offenheit gegenüber anderen Identitäten zu verbinden. In Salvador da Bahía wurde durch den ÖRK zudem die Ablehnung des Proselytismus und die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit in Mission und gemeinsamem Zeugnis bekräftigt. Auf der Basis des ÖRK-Studiendokuments "Die Herausforderung des Proselytismus und die Berufung zu gemeinsamem Zeugnis“ empfahl der Weltkirchenrat 1997 seinen Mitgliedskirchen einen "Aufruf zu verantwortlichen Beziehungen in der Mission und einer Absage an Proselytismus“ zur Umsetzung, mit dem Ziel die "Proselytisierenden" mit den "Proselytisierten" im Dialog zusammenzubringen, unter Einbezug "evangelikaler, pfingstlerischer und charismatischer Bewegungen," ausserhalb der ÖRK-Mitgliedskirchen.

Proselytismus wird heute im ökumenischen Kontext definiert als die Aufforderung an Christen, die einer Kirche angehören, ihre konfessionelle Zugehörigkeit zu wechseln, wobei Mittel und Wege angewendet werden, die "dem Geist der christlichen Liebe widersprechen, die Freiheit des menschlichen Individuums verletzen und das Verrauen in das christliche Zeugnis der Kirche schmälern".

Nach Ansicht des ÖRK erfordere die Entwicklung von verantwortlichen Beziehungen in der Mission, die ein authentisches, gemeinsames christliches Zeugnis fördern und Proselytismus vermeiden, einen fortgesetzten Dialog.

Auf der Konferenz in Athen wird es sicherlich zu einer weiteren missionstheologischen Standortbestimmung kommen Zwischen den verschiedenen theologischen Positionen ist der Spannungsbogen inzwischen ähnlich weit wie in den Kirchen und Gemeinden, in denen manche Christen heute gar nichts mehr mit "Mission" anfangen können, andere dagegen im missionarischen "neu anfangen" die Chance sehen, die Kirche zu neuem Leben zu erwecken.

(10574 Zeichen)
© Nachrichtenagentur APD Basel (Schweiz) und Ostfildern (Deutschland). Kostenlose Textnutzung nur unter der Bedingung der eindeutigen Quellenangabe "APD". Das © Copyright an den Agenturtexten verbleibt auch nach ihrer Veröffentlichung bei der Nachrichtenagentur APD. APD® ist die rechtlich geschützte Abkürzung des Adventistischen Pressedienstes.