Freikirchen und charismatische Bewegung im Spannungsfeld

Freudenstadt/Deutschland | 24.11.2004 | APD | Ökumene

Die diesjährige Herbsttagung des Vereins für Freikirchenforschung (VFF) am Europäischen Theologischen Seminar der Gemeinde Gottes in Freudenstadt-Kniebis versuchte das spannungsreiche Beziehungsfeld zwischen Freikirchen und charismatischer Bewegung auszuloten. Zum Auftakt nahm Pfarrer Dr. Dirk Spornhauer (Bad Berleburg) das pfingstkirchliche, neopfingstliche und charismatische Spektrum aus evangelischer Sicht in den Blick. Dabei sah er drei aktuelle Tendenzen: Die Neugründung eigener Gemeinden ausserhalb der bestehenden Denominationen, die charismatische Annäherung an das evangelikale Lager und die zunehmende Bedeutung des "Kreises charismatischer Leiter".

Im Unterschied zu Spornhauer, der seine Ausführungen mit dem Untertitel "Ein Blick von aussen" versah, bot Pastor Siegfried Grossmann (Seesen), Präsident des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden, eine sehr persönlich gehaltene Innenansicht der charismatischen Erneuerung. Er betonte die Notwendigkeit eines echten, "aus der Tiefe des Geistes kommenden" charismatischen Aufbruchs jenseits eines bloss gefühlsbestimmten Enthusiasmus, und zwar quer durch alle Denominationen. Hierbei komme es vor allem auf eine Neuentdeckung der neutestamentlichen Charismen in ihrer ganzen Vielfalt an. Die charismatische Erneuerung habe zwar ein neues Bewusstsein für die glaubenspraktische Realität des Heiligen Geistes hervorgerufen, aber in der Abfolge vieler, letztlich im Sande verlaufener "Wellen" auch zu mancherlei Frustration und Resignation geführt. Wo "viel Power" sei, gebe es häufig "wenig Dauer". Theologische Fragen würden meist nicht offen thematisiert und durchgearbeitet. Tragisch seien die vielen Spaltungen, die durch charismatische Aufbrüche ausgelöst worden seien, wo doch gerade die charismatische Erneuerung eine grosse Chance zur "Einheit ohne Uniformität" darstelle. Grossmann appellierte an die Vertreter der charismatischen Bewegung, wie er sie vor allem im "Kreis charismatischer Leiter" repräsentiert sah, diese Gemeinsamkeit ebenso wie den vertieften Dialog mit anderen Christen zu suchen, "sonst gehen die vielen kleinen Feuer im Land irgendwann ganz aus".

Zwei Forschungsberichte befassten sich mit charismatisch geprägten Erweckungen im 19. und 20. Jahrhundert. Pfarrer Dr. Wolfgang Reinhardt (Kassel) trug einen Zwischenstand seiner Forschungen über die walisische Erweckung der Jahre 1904/05 vor. Ein knappes Jahrhundert früher trugen sich die Ereignisse zu, denen Pastor Gottfried Sommer (Singen/Hohentwiel) seine Forschung widmet: Die erwecklichen Aufbrüche auf den von Belowschen Gütern in Hinterpommern. Abgerundet wurde die Tagung durch zwei Beiträge aus pfingstkirchlicher Sicht. Ludwig David Eisenlöffel (Schliersee), ehemals Sekretär der Arbeitsgemeinschaft der Christengemeinden in Deutschland (ACD, heute Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden), berichtete als Zeitzeuge über die Annäherung zwischen "freien Pfingstlern" und anderen (Frei-)Kirchen der Bundesrepublik in den Jahren 1945 bis 1985, während Pastor Dr. Paul Schmidgall (Kniebis) das Thema "Geistestaufe" behandelte. Alle Beiträge der Tagung werden im Jahrbuch "Freikirchenforschung" des VFF erscheinen, das im Buchhandel erhältlich ist. Die nächste Tagung des VFF findet vom 10.-12.3.2005 zum Thema "Freikirchen und Antisemitismus: Zwischen Israel-Euphorie und Judenfeindschaft" am Theologischen Seminar "Beröa" des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden (Erzhausen bei Darmstadt) statt. Weitere Informationen sind im Internet unter www.freikirchenforschung.de oder bei der Geschäftsstelle des Vereins (Telefon 0049 6150 976825) erhältlich.

(3638 Zeichen)
© Nachrichtenagentur APD Basel (Schweiz) und Ostfildern (Deutschland). Kostenlose Textnutzung nur unter der Bedingung der eindeutigen Quellenangabe "APD". Das © Copyright an den Agenturtexten verbleibt auch nach ihrer Veröffentlichung bei der Nachrichtenagentur APD. APD® ist die rechtlich geschützte Abkürzung des Adventistischen Pressedienstes.