Seuchengefahr in Katastrophenregionen geht zurück - Mehr als 165'000

Banda Aceh, Indonesien | 07.01.2005 | Associated Press AP | International

Angesichts des akuten Trinkwassermangels hat die Weltgesundheitsorganisation WHO am 5. Januar (Mittwoch) vor einer dramatischen Seuchengefahr in den asiatischen Flutgebieten gewarnt. Wenn nicht bis Ende der Woche alle Menschen mit sauberem Wasser versorgt seien, könne sich die Zahl der Tsunami-Opfer verdoppeln, sagte WHO-Generaldirektor Lee Jong Wook. Seine Organisation brauche 60 Millionen Dollar, um die fünf Millionen betroffenen Menschen zu versorgen.

Die Seuchengefahr in den Katastrophengebieten Südasiens verringert sich dank umfangreicher Medikamentenlieferungen. Gebannt sei sie aber noch nicht, erklärte am Donnerstag die Weltgesundheitsorganisation WHO in Genf. Viele Menschen litten unter Durchfall, Atemwegs-, Haut- und traumatischen Erkrankungen, aber in der am schwersten betroffenen indonesischen Provinz Aceh sei bisher keine Seuche ausgebrochen. In der Nacht zum Donnerstag gab es vor der Insel Sumatra zwei heftige Nachbeben. Viele Bewohner der Stadt Banda Aceh rannten auf die Straße. Neue Opfer wurden nicht gemeldet.

Erstmals seit Beginn der Rettungsmaßnahmen in Aceh wurde ein Zusammenstoß zwischen den für die Unabhängigkeit der Provinz kämpfenden Rebellen und indonesischen Soldaten bekannt. Ein Militärsprecher sagte, Rebellen hätten von einem Fischerboot aus auf Soldaten und Überlebende der Flutkatastrophe geschossen. Drei Verdächtige wurden festgenommen.

Die südkoreanische Regierung berichtete von Geheimdienstinformationen, dass die in Indonesien tätigen internationalen Helfer Ziel von Terroranschlägen werden könnten. In dem bevölkerungsreichsten muslimischen Land der Erde gibt es mehrere radikalislamische Gruppierungen.

Die US-Streitkräfte kündigten eine Verdoppelung ihrer Hilfsflüge entlang der verwüsteten Küsten von Sumatra an. Spätestens am Freitag sollten weitere Kriegsschiffe mit Hubschraubern eintreffen, sagte Oberst Dave Kelley. Immer wieder entdeckten die Piloten in entlegenen Dörfern noch Überlebende, hieß es.

Elf Tage nach der Katastrophe versprachen Geberländer am Donnerstag eine "beispiellose" Hilfsaktion. Der Wiederaufbau könne bis zu zehn Jahre dauern, hieß es in der Abschlusserklärung der Geberkonferenz in Jakarta. Konkret wurde der Aufbau eines Frühwarnsystems beschlossen. In der Erklärung wurden die Vereinten Nationen gebeten, das internationale Katastrophenmanagement zu übernehmen.

UN-Generalsekretär Kofi Annan ermahnte die internationale Gemeinschaft, die zugesagte Soforthilfe von rund drei Milliarden Euro rasch auszuzahlen. Es gebe einen Wettlauf mit der Zeit. Nach dem Erdbeben im Iran vor einem Jahr hatten Regierungen weltweit eine Milliarde US-Dollar angekündigt, davon sind nach Angaben Teherans bislang nur 17,5 Millionen eingetroffen.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärte am Rande des Treffens, Brüssel werde seine Soforthilfe auf 100 Millionen Euro aufstocken. Zudem werde er das EU-Parlament um weitere 350 Millionen Euro für den Wiederaufbau bitten. Geplant sei zudem ein Kreditpaket von einer Milliarde Euro. Auch die USA werden ihre Soforthilfe von derzeit 350 Millionen Dollar (260 Millionen Euro) nach den Worten von US-Außenminister Colin Powell voraussichtlich aufstocken.

Die Gesamtzahl der in den betroffenen Ländern offiziell registrierten Toten betrug bis Freitag bereits über 165.000..

US-Aussenminister Colin Powell machte sich am Mittwoch selbst ein Bild von den Verwüstungen in Indonesien. Den Horror, den der Tsunami über die Menschen gebracht habe, könne er noch immer nicht fassen, sagte er nach einem Flug entlang der Westküste der Provinz Aceh. "Ich war im Krieg, ich habe viele Hurrikans, Tornados und Hilfseinsätze erlebt, aber ich habe noch nie etwas Derartiges gesehen."

Hilfsgüter wieder abtransportiert

Wie gross die Abstimmungsprobleme nach wie vor sind, zeigte sich am Mittwoch in Sumatra. Hubschrauber der US-Marine mussten tonnenweise Hilfsgüter aus der Hafenstadt Medan zurück auf die "USS Bonhomme Richard" bringen, weil sie nicht gebraucht wurden. Der Flugzeugträger soll an die Westküste verlegt werden. Von dort müssen die Hilfspakete wieder mit Hubschraubern in die betroffenen Gebiete geflogen werden. Die Behörden von Medan beschwerten sich, wegen des Rücktransports der gigantischen Mengen an Lebensmitteln werde der Flughafen von amerikanischen Hubschraubern blockiert.

In Sri Lanka führte die Flut unterdessen dazu, Gräben des blutigen Bürgerkrieges zu überwinden: Mehr als hundert Soldaten spendeten freiwillig Blut für den von den Rebellen kontrollierten Norden des Landes, wie ein Militärsprecher mitteilte. Zudem kooperierten die Tamilischen Befreiungstiger und Regierungstruppen bei der Identifizierung und Bergung von Leichen.

An Teilen der Küste wurden die vor der Welle geflüchteten Menschen am Mittwoch aufgefordert, in ihre Heimatorte zurückzukehren und ihre Häuser wieder aufzubauen. Mit dreirädrigen Taxis und Handkarren kehrten die Menschen nach Nasuvantivu zurück, nachdem sie zehn Tage in einer Schule in der Nachbarstadt untergekommen waren. Die Hilfsorganisation Oxfam erklärte, weil viele Flüchtlinge nach Hause wollten, würde die Katastrophenhilfe eingestellt und die Wiederaufbauhilfe eingeleitet.

(C) Associated Press (AP)

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