Die rechte Hand des Heiligen Vaters

| 02.04.2005 | APD | Ökumene

Er ist einer der mächtigsten Männer der katholischen Kirche und galt bis zum Tod des Papstes als dessen rechte Hand. Wegen seiner brillanten Rhetorik und scharfen Intelligenz wird er geschätzt und gefürchtet. Kardinal Joseph Ratzinger prägte die Ära unter Johannes Paul II. entscheidend. Jüngst wurde sogar spekuliert, dass der knapp 78-Jährige gute Chancen hat, der erste deutsche Papst seit rund 500 Jahren zu werden. Doch dass der vatikanische Cheftheologe mit dem erzkonservativen Ruf das Kirchenoberhaupt tatsächlich beerben wird, ist eher unwahrscheinlich.
Ratzinger ist seit November 1981 Präfekt der Glaubenskongregation im Vatikan, der höchsten und zentralen Instanz für die Interpretation und Verteidigung der katholischen Lehre. Ende 2002 wurde er zudem Dekan des Kardinalskollegiums, das den Papst berät und bei einer Vakanz dessen Nachfolger wählt.

Doch in den vergangenen Jahren hatte Ratzinger wiederholt den Wunsch geäussert, aus gesundheitlichen Gründen von seiner Aufgabe als Präfekt der Glaubenskongregation entbunden zu werden. "Dieses Leben ist sehr hart. Ich warte ungeduldig auf die Zeit, in der ich noch einige Bücher schreiben kann", sagte Ratzinger, der 2004 mit dem italienischen Literaturpreis San Michel ausgezeichnet wurde, bereits vor einigen Jahren in einem Interview. Auf Drängen des Papstes war er jedoch bis jetzt im Amt geblieben.

Als Sohn eines Gendarmeriemeisters wurde Ratzinger am 16. April 1927 in Marktl am Inn geboren. Den "Grossinquisitor aus Marktl am Inn" nennen ihn seine Kritiker jedoch nicht nur, weil Ratzinger jenes Amt inne hat, dem früher die Herren der Inquisition vorstanden, sondern auch weil er äusserst hart gegen anders Denkende vorgeht.

So trieb der Glaubenswächter 1992 den lateinamerikanischen Befreiungstheologen Leonardo Boff aus dem Priesteramt. In den sechziger Jahren war der junge Ratzinger noch ganz anders gewesen: Erfasst vom Aufbruch des Zweiten Vatikanischen Konzils galt er als weltzugewandt und reforminteressiert.

Noch 1968 plädierte er, zusammen mit seinem Tübinger Kollegen Hans Küng, "gegen Zwangsmassnahmen bei irrigen theologischen Auffassungen". Später freilich unterstützte er Zwangsmassnahmen gegen Küng - die mit der Amtsenthebung des populären Theologen endeten.
An der Spitze der Glaubenskongregation sprach sich Ratzinger entschieden gegen Frauenpriestertum, Feminismus, Abtreibung und Schwangerenkonfliktberatung aus. Abtreibungsgesetze geisselte er als "Kultur des Todes".

Der 1992 veröffentlichte Weltkatechismus entstand unter seiner Federführung. 1994 gab es zwischen Ratzinger und den deutschen Bischöfen Walter Kasper, Oskar Saier und Karl Lehmann einen heftigen Streit um den Umgang mit den wiederverheirateten Geschiedenen. Im Gegensatz zu den drei Bischöfen wandte sich Ratzinger entschieden gegen eine Milderung des Kommunionverbotes.

1999 wurde Ratzinger als "Motor der Ökumene" gepriesen, da er entscheidend an der "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre" zwischen katholischer Kirche und Lutherischem Weltbund mitgewirkt hatte. Ein Jahr später geriet er wegen der Schrift "Dominus Jesus" jedoch heftig in die Kritik vieler anderer Kirchen.

In der Veröffentlichung wurde verkündet, die katholische Kirche sei allen anderen Religionen überlegen, und nur sie bringe den Gläubigen die Erlösung. Ausserdem hätten die anderen christlichen Kirchen "Fehler", teilweise weil sie die Vorrangstellung des Papstes nicht akzeptierten.
Ratzinger war es schliesslich auch, der Ende des vergangenen Jahres die Suspendierung des Theologen Gotthold Hasenhüttl endgültig bestätigte, nachdem dieser am Rande des Ökumenischen Kirchentags trotz ausdrücklichen Verbots gemeinsam mit Protestanten eine Abendmahlsfeier gehalten hatte.

Überall Einser ausser in Sport

Ratzinger, der in einer tief religiösen Familie aufwuchs, war bis auf Sport ein Einser-Schüler. Nach dem Abitur auf dem Gymnasium Traunstein studierte er an der Theologischen Hochschule in Freising und an der Universität München Katholische Theologie und Philosophie. Anschliessend wurde er zum Priester geweiht.

1953 promovierte er, und bereits mit 30 Jahren habilitierte er. Seine Habilitationsschrift über die "Geschichtstheologie des heiligen Bonaventura" wäre jedoch beinahe abgelehnt worden. Er musste sie nochmals korrigieren. Bereits seit 1951 war er Privatdozent, 1958 wurde er Dogmatik-Professor an der Freisinger Hochschule, später lehrte er an den Universitäten Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg.

1977 berief ihn Papst Paul VI. zum Erzbischof von München und Freising, wenig später erhob er ihn in den Kardinalsstand. 1981 wechselte Ratzinger als Kurienkardinal nach Rom und wurde Präfekt der Glaubenskongregation. In Rom wurde er lange Jahre von seiner Schwester Maria betreut, die 1991 starb.

© 2005 The Associated Press (AP).
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