Papst bis zum letzten Atemzug

Frankfurt am Main/Deutschland | 02.04.2005 | Associated Press | Ökumene

Bis zum letzten Atemzug ist Johannes Paul II. Papst geblieben - trotz der unübersehbaren Gebrechen, die ihm im hohen Alter die Kontrolle über seinen Körper entzogen. Das erste katholische Kirchenoberhaupt aus Polen nahm den körperlichen Zerfall, die Parkinsonsche Schüttellähmung, die ihm die Stimme raubende Schwäche als Wille Gottes hin. Er lebte im eigenen Leiden den selbst postulierten moralischen Anspruch vor, dass Kranke zwar "Gefangene ihres Zustands" sind, aber nie ihre Menschenwürde verlieren.

Am Ende seiner irdischen Pilgerfahrt war Johannes Paul von dem Wunsch beseelt zu zeigen, dass alte Menschen noch eine Bestimmung haben und Verantwortung tragen können. Denn sein Geist, das demonstrierte er zwischen unübersehbaren Schwächeperioden immer wieder, bestimmte weiter den Kurs des Vatikans. Und so trotzte er bis zuletzt allen Überlegungen zu einem Rücktritt.

Das Leben war Johannes Paul heilig. Er setzte sich in seinem mehr als 25 Jahre währenden Pontifikat dafür ein, von der Wiege bis zur Bahre die Schöpfung nach traditionellem christlichen Verständnis zu achten und zu bewahren. Das bedeutete eindeutige Positionen gegen Genforschung, Klonen, künstliche Befruchtung und Abtreibung zu Beginn und gegen jede Form von Sterbehilfe gegen Ende des Lebens.

Der am 18. Mai 1920 in Wadowice geborene Karol Jozef Wojtyla wurde am 16. Oktober 1978 als erster nicht italienischer Papst seit 450 Jahren zum Papst gewählt. Als Johannes Paul II. gewann er die Herzen vieler Menschen mit einer natürlichen Kontaktfreudigkeit, einer Jovialität, hinter der sich freilich auch knallharte dogmatische Positionen und ein unbedingter Führungsanspruch verbargen. Das Attentat vom 13. Mai 1981 liess nicht nur der katholischen Gemeinde weltweit den Atem stocken: Der Papst aus Polen hatte sich mit unermüdlichem Reisen und einem ausgesprochenen Tatendrang hohe Sympathiewerte bei allen Konfessionen erworben, war eine Art Medienstar geworden. Nach seiner Genesung besuchte Johannes Paul den zu lebenslanger Haft verurteilten Täter Mehmet Ali Agca und verzieh ihm.

An seinem 80. Geburtstag im Millenniumsjahr konnte er auf ein erfülltes Leben zurückblicken: War es doch sein erklärtes Ziel, die Gläubigen ins dritte Jahrtausend nach Christus zu führen. So besuchte er im März 2000 das Heilige Land und verlieh mit der Seligsprechung zweier portugiesischer Hirtenkinder in Fatima seiner Verbundenheit mit der Marienverehrung Nachdruck. Und er liess enthüllen, dass den beiden Hirtenkindern 1917 das Attentat auf ihn vorausgesagt worden sei.

Manchmal schien bei Veranstaltungen im Heiligen Jahr ein Ruck durch den gebeugten Körper zu gehen, eine spürbare persönliche Dankbarkeit und Freude, in dieser Epoche die Geschicke der katholischen Kirche lenken zu dürfen. Nach zahlreichen gesundheitlichen Rückschlägen hatte er bereits 1995 die Entscheidung darüber in Gottes Hände gelegt und erklärt: "Ich überlasse Gott die Entscheidung, wie und wann er mich meines Amtes entheben will."

An seinem 82. Geburtstag liess er die Gläubigen wissen, dass er sich von ihrer Anteilnahme, ihrer Sympathie und ihren Gebeten, ermutigt und gestärkt fühlte. Zugleich war bei den Messen an Ostern und Pfingsten unübersehbar, dass er immer schwächer wurde. Trotzdem schmiedete er bis zuletzt, den Rat der Ärzte ignorierend, weitere Reisepläne, wollte auch am Weltjugendtreffen im Sommer nach Köln fahren.

Weltoffen - aber innerkirchlich konservativ

Doch so aufgeschlossen er auch im Kontakt mit der Aussenwelt wirken mochte, innerkirchlich hielt er die Zügel fest in der Hand und lenkte die Gläubigen auf einen streng dogmatischen, traditionellen Kurs. Die Befreiungstheologen auf seiten der Armen in Lateinamerika wurden vom Vatikan ebenso kaltgestellt wie Bestrebungen einer "Kirche von unten" in reichen Ländern wie Deutschland und Österreich. In Fragen des Zölibats, des Priesteramts für Laien und einer stärkeren Beteiligung von Frauen am kirchlichen Leben blieb es beim harten Nein des Papstes. Keine Kompromisse gab es bei der Ablehnung von Empfängnisverhütung und ausserehelichem Sex; weder als Konzession an die Überbevölkerung in der Dritten Welt noch als Anpassung an den Lebensstil in reichen Ländern.
Sein Führungsanspruch in innerkirchlichen Fragen wurde mitunter als "heilige Starrköpfigkeit" bezeichnet, manchmal aber auch, wie deutsche Bischöfe am 6. Januar 1989 in der "Kölner Erklärung" schrieben, als "Entmündigung durch den römischen Zentralismus" beklagt. Zuletzt musste sich die Mehrheit der deutschen Bischöfe in der Auseinandersetzung um die Schwangerenkonfliktberatung dem päpstlichen Willen beugen. Bei der Verjüngung des Kardinalskollegiums - also der Würdenträger, die Johannes Pauls Nachfolger wurde 2001 aber auch der liberale Mainzer Erzbischof Karl Lehmann bedacht.

Das kirchliche Mittelalter abgeschlossen

Unter Johannes Pauls Führung wurde mit zahlreichen Entscheidungen und Verfügungen weitgehend das Mittelalter abgeschlossen, in dessen Gedankenwelt die katholische Kirche bis zu seinem Pontifikat noch lebte: So bewegte sie sich nach 300 Jahren doch noch und rehabilitierte im Oktober 1993 den Astronomen Galileo Galilei; ein Jahr später wurde Nikolaus Kopernikus rehabilitiert und damit das moderne Weltbild anerkannt. Im Oktober 1996 wurde eine päpstliche Botschaft als "Friedensschluss" der katholischen Kirche mit der Evolutionstheorie Charles Darwins aufgefasst.

Eine Mitschuld Roms an der Kirchenspaltung räumte Johannes Paul bei einem Deutschlandbesuch 1996 ein. Bereits 1990 deutete er an, dass der 1415 in Konstanz hingerichtete Reformator Johannes Hus rehabilitiert werden könnte. Blieben die Initiativen des Vatikans in der Ökumene wegen des globalen moralischen Machtanspruchs der katholischen Kirche begrenzt, so wurden Fortschritte in der Aussöhnung mit dem Judentum verwirklicht: Im Juni 1994 nahmen der Vatikan und Israel volle diplomatische Beziehungen auf. Die beiden historischen Marksteine Kirchenspaltung und Judenverfolgung spielten 2000 auch in seinem Schuldbekenntnis "Mea Culpa" im Namen der katholischen Kirche eine zentrale Rolle.

Geprägt vom Überlebenskampf der Kirche gegen den Kommunismus in seiner polnischen Heimat, hat sich der ehemalige Erzbischof von Krakau immer für die Freiheitsrechte eingesetzt. Dabei geisselte er nach dem Zusammenbruch des Ostblocks immer wieder einen Missbrauch der Freiheit, der nach seiner Überzeugung in einem zügellosen Kapitalismus zur Verelendung breiter Bevölkerungsschichten führt. Johannes Paul II. war Oberhaupt von mehr als einer Milliarde Katholiken in aller Welt. Seine moralische Autorität aber reichte weit über seine Kirche hinaus.

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