Schweizer Bundespräsident Schmid spricht Heiligem Stuhl Beileid aus

Bern/Schweiz | 02.04.2005 | Associated Press | Religion + Staat

Bundespräsident Samuel Schmid hat im Namen des Bundesrats und des Schweizer Volks dem Heiligen Stuhl und der katholischen Kirche das offizielle Beileid zum Tod von Papst Johannes Paul II. ausgesprochen. Mit Trauer nähmen nicht nur die Katholiken in der Schweiz und in aller Welt vom Tode des Papstes Kenntnis, heisst es in der Erklärung Schmids. Johannes Paul habe weit über die Religionsgrenzen hinaus als charismatische Persönlichkeit ein viertel Jahrhundert Weltgeschichte mitgeschrieben.

«Mit dem Tod von Johannes Paul II. geht ein Pontifikat zu Ende, das bereits heute als historisch bezeichnet werden darf», erklärte der Bundespräsident. Er erinnerte zudem an die Besuche des Papstes in der Schweiz. Eindrücklich und unvergessen sei sein Auftritt im vergangenen Juni in Bern gewesen, wo der Papst vor allem den Kontakt zur Jugend gesucht und gefunden habe.
Ambivalentes Verhältnis der Schweiz zu Johannes Paul II.

Papst Johannes Paul II. und die Schweiz: Das ist auch die Geschichte der Reibungen zwischen einer Alpenrepublik und dem Kirchenstaat. Es ist auch jene eines Kirchenvolks, das Papst- und Kirchenkritiker ebenso hervorbrachte wie die Schweizergarde.

Der verstorbene Papst musste sich immer wieder mit der Schweiz befassen, die er mehrmals besuchte. Sein letzter Besuch am vergangenen 5./6. Juni war sein dritter. 1984 hielt sich Johannes Paul II. während sechs Tagen hier auf, 1982 weilte er einen Tag lang in Genf.

Schweizer Boden betrat er ausserdem 1985 während der Reise ins Fürstentum Liechtenstein. Das direktdemokratische, föderalistische Staatsverständnis des Schweizer Volkes und das strenge Hierarchieverständnis des Vatikans rieben sich in Johannes Pauls Amtszeit mehrfach.
Besonders spürbar wurde das 1988, als der Liechtensteiner Wolfgang Haas zum Churer Weihbischof mit Nachfolgerecht ernannt und damit das Jahrhunderte alte Wahlrecht des Churer Domkapitels verletzt wurde. Haas wurde zwei Jahre später Bischof von Chur. Die Reaktionen waren heftig, nicht nur in der katholischen, auch in der reformierten Kirche und in der Politik.

Anerkennung erst seit 1920

Erstmals ernannte die Eidgenossenschaft einen Botschafter in Sondermission für den Vatikan, wenn auch mit Sitz in Bern. Der Vatikan entsandte einen allseits respektierten päpstlichen Nuntius nach Bern und stellte Haas zwei Weihbischöfe zur Seite. Als Haas 1998 Erzbischof von Vaduz wurde, kehrte in der Schweiz langsam wieder Ruhe ein.

Die moderne Schweiz anerkennt den Vatikanstaat und die Doppelrolle des Papstes als weltliches und kirchliches Oberhaupt erst seit 1920, obwohl der Kirchenstaat bereits von 1586 bis 1847 mit einem Nuntius vertreten war. Nach dem Sonderbundkrieg katholischer und protestantischer Kantone brachen die diplomatischen Kontakte ab, und per Verfassungsartikel wurden der Jesuitenorden und die Gründung neuer Klöster verboten, neue Bistümer der Zustimmung des Bundesrates unterstellt.

In den 1970-er Jahren wurden die Ausnahmeartikel aufgehoben, der Bistumsartikel sogar erst 2001. Die diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Heiligen Stuhl kamen zwar 1915 wieder in Gang, liefen aber bis 1991 in beiden Richtungen nur über die päpstliche Nuntiatur.

Erst letztes Jahr völlig normalisiert

Völlig normalisiert wurden die Beziehungen erst letztes Jahr, gewissermassen als Willkommensgeschenk zum Besuch Johannes Pauls. Der damalige Bundespräsident Joseph Deiss sprach beim Empfang des Papstes aber ungewohnt offen auch Themen wie Frauenweihe, Empfängnisverhütung und Homosexualität an. Er anerkannte aber, dass der Papst zum Nachdenken über gesellschaftliche Fragen anrege.

Die kritische Haltung vieler Schweizer gegenüber Johannes Pauls Politik wurde bei seinem ersten Besuch von 1984 zwar deutlicher geäussert als 2004, nahm aber mit dem fortschreitenden Verlust konfessioneller Bindungen zu. Mischehen von Katholiken und Protestanten sind heute an der Tagesordnung, die Haltung Roms zu Empfängnisverhütung und Abtreibung ist vielen unverständlich. Voreheliche Beziehungen und Homosexualität werden akzeptiert, der Zölibat angesichts des Priestermangels zunehmend in Frage gestellt.

Sonderregelung wegen Priestermangels

Der Priestermangel veranlasste die Schweizer Bischöfe zu einer Sonderregelung für das Wirken von Laien in Gottesdiensten. Rom gab vergangenen Januar den Segen dazu, dass Schweizer Laien ein Predigtwort äussern dürfen, die eigentliche Predigt aber Priestern vorbehalten bleibt. Die Ausnahme dürfe aber nicht zum Normalfall werden, mahnte der Vorsteher der päpstlichen Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger.

Vom Bannstrahl Roms getroffen wurden Papst- und Kirchenkritiker wie die Schweizer Theologen Hans Küng und Josef Imbach: Sie verloren die Lehrbefugnis. Küng kümmert sich heute um die Stiftung Welt-Ethos, Imbach wirkt als Seelsorger. Er nimmt aber seine Lehrtätigkeit bald wieder auf - ohne Segen Roms, an der (reformierten) Theologischen Fakultat der Universität Basel.
Trotz allem stehen viele Schweizer Katholiken zu Glauben, Kirche und Papst. Ein Beispiel ist die Schweizergarde, die seit bald einem halben Jahrtausend die Päpste beschützt.

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