APD-Kommentar: "Den Mächtigen ins Gewissen geredet" von Rolf J. Pöhler

Ostfildern/Basel | 03.04.2005 | APD | Ökumene

"Den Mächtigen ins Gewissen geredet"

von Rolf J. Pöhler

Kardinal Karol Wojtyla, der Überraschungskandidat des 16. Oktober 1978, hat in seinem fast 27-jährigen Pontifikat als Papst Johannes Paul II. immer wieder für Erstaunen gesorgt. Als erster Nicht-Italiener auf dem "Stuhl Petri" seit Martin Luthers Tagen verband er die Offenheit und Volksnähe von Johannes XXIII. mit der Glaubensstrenge und Prinzipientreue eines Paul VI. Als erster Medienpapst und sprachgewandter Jetset-Reisender trat er aus den geheimnisumwitterten Mauern des Vatikan heraus und präsentierte sich einer überraschten Weltöffentlichkeit. Die Massen pilgerten millionenfach zu seinen Messen und jubelten ihm frenetisch zu, die Mächtigen und Angesehenen dieser Welt verneigten sich tief vor ihm.

Zur gleichen Zeit beherrschte das Oberhaupt der römisch-katholischen Weltkirche die Klaviatur der vatikanischen Geheimdiplomatie, verband mit Klugheit und Geschick Religion und handfeste Politik. Damit zwang er den gottlosen Kommunismus in seinem Heimatland (und weit darüber hinaus) effektvoll in die Knie. Er scheute sich auch nicht, den Mächtigen mächtig ins Gewissen zu reden, Krieg und Terror, Ausbeutung der Armen und soziale Ungerechtigkeit anzuprangern. Die Zahl der Länder, mit denen der "Heilige Stuhl" diplomatische Beziehungen unterhält, hat sich unter seinem Pontifikat auf fast 180 verdoppelt.

Der eindrucksvoll inszenierte Brückenschlag zum Protestantismus, Judentum und Islam, das gemeinsame Gebet mit den anderen Weltreligionen, die Rehabilitierung Galileo Galileis, die Akzeptanz der Evolutionslehre sowie die diversen Schuldeingeständnisse und Vergebungsbitten zu den Verfehlungen der Vergangenheit waren weitere "Überraschungen" des polnischen Papstes, der damit allerdings in keiner Weise den exklusiven geistlichen Macht- und Wahrheitsanspruch des Bischofs von Rom schmälerte. Als überzeugter Marien- und Heiligenverehrer, Ausrichter des Heiligen Jahres 2000, unbeirrbarer Verfechter des Zölibats und kompromissloser Gegner von Frauenordination, Abtreibung und Empfängnisverhütung beliess der konservative Revolutionär in Sachen Dogma und Moral so gut wie alles beim Alten.

Und trotzdem liebten, verehrten und bewunderten sie ihn: Junge und Alte, Fromme und weniger Fromme, Gläubige und Ungläubige. Er überlebte 1981 knapp ein Attentat und wurde danach noch mehr geachtet und beachtet als zuvor. Es wird schwer sein, diesen ungewöhnlichen Papst und seine charismatische Ausstrahlung zu überbieten. Doch wer weiss - "die erstaunlichste Institution der Weltgeschichte" (GEO) ist angesichts ihrer extrem wechselvollen Geschichte immer wieder für neue Überraschungen gut. Wer die Schlüsselgewalt beansprucht, will auch eine Schlüsselrolle spielen.

(Hinweis der Redaktion: Pastor Dr. Rolf J. Pöhler, Hannover, ist Theologischer Referent im Norddeutschen Verband der Siebenten-Tags-Adventisten und Lehrbeauftragter für Systematische Theologie an der Theologischen Hochschule der Freikirche in Friedensau bei Magdeburg.)

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