Erklärung der deutschen und österreichischen Adventisten zur NS-Zeit

Hannover und Wien | 20.04.2005 | APD | International

In einer gemeinsamen Erklärung zum 60. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai 1945 haben die Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland und Österreich Stellung zum Verhalten der Freikirche im Dritten Reich genommen. Darin wird beklagt, dass auch Siebenten-Tags-Adventisten an "diesem furchtbaren Krieg beteiligt waren". Der Charakter der NS-Diktatur sei nicht rechtzeitig und deutlich genug erkannt worden. In adventistischen Veröffentlichungen hätten sich Aussagen befunden, "die Adolf Hitler huldigten und der rassistischen Ideologie des Antisemitismus in einer Weise Ausdruck gaben, die aus heutiger Sicht unfassbar ist". Deutsche und Österreicher seien zu "Komplizen des Rassenwahns geworden"; auch "viele Siebenten-Tags-Adventisten" hätten "an der Not und dem Leid ihrer jüdischen Mitbürger keinen Anteil" genommen, so dass sie "von uns ausgegrenzt und ausgeschlossen, sich selbst überlassen und so der Gefangenschaft, Vertreibung oder dem Tod ausgeliefert wurden".

"Aufrichtig" werde bekannt, "dass wir gegenüber dem jüdischen Volk, allen Verfolgten und vom Krieg Betroffenen und darüber hinaus auch gegenüber Adventisten in anderen Ländern durch unser Versagen schuldig geworden sind". Auch hätten "wir als Siebenten-Tags-Adventisten in jenen notvollen Zeiten trotz unserer Erkenntnis aus der Heiligen Schrift und dem prophetischen Wort nicht mutiger und konsequenter gehandelt und so in der Nachfolge unseres Herrn versagt". Adventisten seien denjenigen, "die in unseren Reihen mutig Widerstand geleistet haben und sich der Nazidiktatur weder gebeugt, noch mit ihr gemeinsame Sache gemacht haben, nicht mutig entschlossen genug gefolgt".

Die Freikirche wolle deshalb "nachdrücklich" dafür eintreten, dass nie wieder ein Krieg gegen andere Völker von Deutschland oder Österreich ausgehe und dass niemand aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität oder Geschlecht ausgegrenzt oder benachteiligt werde. Die Vergangenheit dürfe nicht in Vergessenheit geraten und der Gehorsam, "den wir der staatlichen Obrigkeit schulden, nicht zur Preisgabe von biblischen Überzeugungen und Werten" führen. Es gelte, den Glauben auch dann mutig zu bekennen und konsequent zu leben, "wenn wir unsererseits in die 'Stunde der Versuchung' geraten".

In einem Schlusswort wird hervorgehoben, dass es nicht darum gehe, "über jene, die damals lebten und glaubten", sich zu überheben oder sie zu verurteilen. Gott allein sei Richter, und er allein könne von Schuld freisprechen. "Wir wollen aber in unserer Zeit entschieden für Recht und Gerechtigkeit – für alle Menschen – eintreten."

Die Erklärung ist von den Pastoren Klaus van Treeck (Hannover) und Günther Machel (Ostfildern bei Stuttgart), Vorsitzender beziehungsweise stellvertretender Vorsitzender der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland, sowie von Pastor Herbert Brugger (Wien), Vorsteher der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Österreich, unterzeichnet. Sie wird auch in der Mai-Ausgabe der Gemeindezeitschrift "Adventecho" der deutschsprachigen Adventisten veröffentlicht und in den Gottesdiensten am Samstag, dem 7. Mai, verlesen.

Die Freikirche hatte schon zuvor zur NS-Zeit Stellung genommen. Im November 1988 findet sich in der Zeitschrift "Adventgemeinde" der Siebenten-Tags-Adventisten der ehemaligen DDR unter der Überschrift "Geschrieben uns zur Warnung" ein Wort der dortigen Gemeinschaftsleitung zum 50. Gedenktag der Kristallnacht am 9. November 1938. Anlässlich des Kongresses "100 Jahre Adventisten in Hamburg" am 14. Oktober 1989 im Congress Centrum der Hansestadt gab der damalige Vorsitzende der westdeutschen Freikirche, Pastor Erwin Kilian, eine Erklärung zur hundertjährigen Geschichte, in der auch ein Abschnitt über "die dunkle Zeit" von 1933-1945 enthalten war. Sie wurde im "Adventecho" Dezember 1989 veröffentlicht. Außerdem stand im "Adventecho" Mai 1995 die Erklärung der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland "Lasst Versöhnung siegen" zum 50. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges. Laut Dr. Daniel Heinz, dem Leiter des Historischen Archivs der Siebenten-Tags-Adventisten in Europa mit Sitz in Friedensau bei Magdeburg, hätten sich die drei Stellungnahmen aber nicht so konkret wie die jetzige Erklärung mit der NS-Zeit befasst.

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