Eine Weltmissionskonferenz ohne Mission

Athen/Griechenland | 21.05.2005 | idea-Pressedienst | Ökumene

Ökumenisches Treffen in Athen kam über die Fragen nach Heilung und Versöhnung nicht hinaus

Von Marcus Mockler

Premieren gab es viele bei der Weltmissionskonferenz in Athen. Es war die erste im neuen Jahrtausend, erstmals fand sie in einem orthodox geprägten Land statt und erstmals durften Katholiken, Evangelikale als gleichberechtigte Delegierte teilnehmen, obwohl sie dem veranstaltenden Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) gar nicht angehören. Tatsächlich wehte bei dieser ökumenischen Konferenz eine andere Brise. Und dennoch war bei dem Treffen von Mission und Evangelisation kaum die Rede.

Athen im Jahr 50 nach Christus. Der Apostel Paulus besucht die griechische Metropole, um den Menschen die Botschaft von Jesus Christus zu bringen. Die vielen Götzenbilder in der antiken Stadt machen ihn wütend. Aber er hält seinen Zorn im Zaum, als er die Gelegenheit bekommt, auf dem Areopag zur geistigen Elite zu sprechen. In seiner berühmten Rede spricht er anerkennend über die Frömmigkeit der Athener, um ihnen dann von dem allmächtigen und einzigen Gott zu erzählen, der die Menschen zur Busse auffordert und ihnen ewiges Leben anbietet. Ein paar Männer werden daraufhin Christen.

Athen im Jahr 2005 nach Christus. Mehr als 500 Delegierte aus aller Herren Länder versammeln sich 30 Kilometer nördlich der Stadt in einem Freizeitzentrum des griechischen Militärs. Es ist die 13. Konferenz für Weltmission und Evangelisation des Ökumenischen Rates der Kirchen. Sie steht unter dem Motto "Komm, Heiliger Geist, heile und versöhne". Eigentlich soll es darum gehen, eine Woche lang Erfahrungen auf dem Gebiet der Mission auszutauschen und gemeinsam darüber nachdenken, wo künftig beim Bezeugen des christlichen Glaubens Prioritäten zu setzen sind. Doch es wird alles von den Themen Heilung und Versöhnung dominiert. In den Plenumsveranstaltungen und den Arbeitsgruppen hören die Delegierten beeindruckende Zeugnisse über die Versöhnungsarbeit zwischen Indianern und den Nachfahren der Kolonialmächte, zwischen Arabern und Juden, zwischen Hutu und Tutsi in Ruanda. Sie befassen sich mit Gesundheitsdiensten, Aids und der "Dekade zur Überwindung der Gewalt". Nur mit einem befassen sie sich nicht. Mit der Frage: Was können die Kirchen heute dazu beitragen, damit aus Nichtchristen Christen werden?

Darüber gab es kein Wort

Dabei bieten selbst einige Mitglieder des ÖRK dazu hervorragendes Anschauungsmaterial, insbesondere die anglikanische Kirche. In den afrikanischen Ländern wie Tansania erlebt sie ausserordentliches Wachstum. In einem säkularisierten Land wie Grossbritannien bildet der von Anglikanern entwickelte Alphakurs mit Hunderttausenden von Teilnehmern neue Brücken zu Menschen, die der Kirche entfremdet sind. Doch über Erweckung zu sprechen, über Bekehrung oder über das Jüngste Gericht (wovon immerhin Paulus in Athen redete), ist den Veranstaltern offenbar nicht in den Sinn gekommen. Im Weltkirchenrat hält man es schon für Mission, an einer gerechteren und besseren Welt mitzuarbeiten. Das ist in der Tat ein wichtiger Auftrag – und gerade Missionare haben etwa durch ihre Krankenhäuser und Schulen wesentlichen Anteil daran. Doch für die Ausbreitung der christlichen Botschaft ist die Tat alleine nicht ausreichend – es kommt auch auf das richtige Wort an.

Evangelikaler "Stachel"

Einen gesunden Stachel im Fleisch stellten in dieser Hinsicht die evangelikalen Teilnehmer dar. Dass sie überhaupt dabei sein durften, ist in erster Linie das Verdienst des Direktors des Evangelischen Missionswerks (EMW), Herbert Meissner (Hamburg). Er hatte bei der letzten Weltmissionskonferenz 1996 in Salvador de Bahia (Brasilien) die Delegierten für eine Öffnung des ÖRK zu ihnen hin gewonnen – gegen den Widerstand der Orthodoxen, die jegliche Mission in den von ihnen dominierten Länden als "Proselytismus" brandmarken. Meissner hatte damals argumentiert, man könne nicht Gott dafür danken, dass der Eiserne Vorhang gefallen ist, und dann in der Kirche einen neuen bauen.

Evangelikale pietistischer Prägung kamen im Plenum zwar kaum zu Wort – mit Ausnahme der Bolivianerin Gracia Violeta Ross Quiroga, die berichtete, dass sie erst eine HIV-Infektion zur Umkehr zu Gott bewegte und dass Aids möglicherweise für sie der Preis dafür sei, dass sie nun durch die Rückkehr zu Gott ewiges Leben bekomme. Dafür hatten Vertreter der ebenfalls zu den Evangelikalen zählenden Pfingstbewegung in Athen mehrere Auftritte. Pfingstkirchen wachsen weltweit am schnellsten und haben mit rund 554 Millionen Mitgliedern heute schon mehr Anhänger als alle ÖRK-Mitgliedskirchen zusammen. Der pfingstkirchliche Theologe Wonsuk Ma (Baguio/Philippinen) erläuterte, warum Erfahrungen mit dem Heiligen Geist gerade für Menschen der Unterschicht so bedeutsam sind. Während diese Menschen gesellschaftlich nicht gelten, erlebten sie, dass Gott sie erwählt habe. Selbst wenn man an den Lehren der Pfingstbewegung über Geistesgaben zweifelt – auch Evangelikale unterstreichen, dass es die persönliche Begegnung mit Gott ist, die einem Menschen einen Selbstwert vermittelt, wie Geld und Prestige ihn nicht geben können.

Verkürztes Evangelium

Das sind neue Töne beim Weltkirchenrat, dessen Hauptvertreter allerdings nach wie vor in einem sozialpolitisch verkürzten Evangelium stecken geblieben sind. Und selbst darin können sie nicht überzeugen. Während die USA wegen ihrer Wirtschaftspolitik und ihrer Militäraktionen an den Pranger gestellt werden, weigert man sich, Staaten mit brutaler Christenverfolgung wie Saudi-Arabien oder Nordkorea auch nur beim Namen zu nennen. Im Gegenteil: ÖRK-Generalsekretär Samuel Kobia kritisiert vor der Presse ausdrücklich evangelikale Gruppen, die Verfolgung anprangern. Beim Weltkirchenrat setze man lieber auf Dialog.

Befremdlich auch die Scheuklappen bei der "Dekade zur Überwindung der Gewalt", die von 2001 bis 2010 läuft. Sie geht auf den mennonitischen Theologen Fernando Enns von der Universität Heidelberg zurück. Nun ist es natürlich unterstützenswert, Kirchen zu motivieren, in ihrem Umfeld Aktionen gegen die Brutalitäten zu starten, die Menschen einander antun. Allerdings: Das Thema "Gewalt gegen Ungeborene" wird bei dieser Kampagne überhaupt nicht angesprochen. Zum Vergleich: Jährlich gibt es weltweit schätzungsweise 1,6 Millionen Geborene, die durch Selbstmord, Mord oder Krieg ums Leben kommen. Nach UN-Angaben sterben aber jährlich 50 Millionen Ungeborene durch Abtreibung. Wird es ab 2011 eine "Dekade zur Überwindung des Babymordes" geben? Ökumenische Partner liessen sich dabei möglicherweise nicht nur in der katholischen Kirche gewinnen.

Geistliche Globalisierung

Die Konferenz in Athen hat erneut offenbart, dass die ÖRK-Theologie von einem neutestamentlichen Missionsbegriff weit entfernt ist. So wird etwa in dem Papier "Religiöse Vielfalt und christliches Selbstverständnis", das zur Vorbereitung der Weltmissionskonferenz erarbeitet wurde, allen Ernstes gefragt, ob die christliche Offenbarung nur das religiöse Leben anderer fortsetze, oder ob sie eine ganz neue Dimension des Wissens über Gott bringe. Und das Papier antwortet hilflos, dass Christen bei diesem Thema eben geteilter Meinung seien. Paulus ist an diesem Punkt aber glasklar. Vielleicht hätte sich der Vorbereitungskreis schon vor dem Abschlussgottesdienst in Athen auf den Areopag stellen und auf die Worte des Apostels hören sollen. Paulus predigte den dortigen Heiden, dass die Zeit der Unwissenheit vorbei sei, Gott einen Menschen vom Tod auferweckt habe und er jedermann den Glauben enbiete (Apg 17,30.31). Über diese geistliche "Globalisierung", alle Menschen der Erde zur Umkehr zu rufen und alle Völker zu "Jüngern" zu machen (Mt 28), hörte man bei der Weltmissionskonferenz so gut wie nichts. Aber vielleicht sind auch auf diesem Gebiet und nicht nur auf politischer Ebene die "Globalisierungsgegner" beim ÖRK (noch) in der Mehrheit.

© 2005 idea-spektrum 20/2005

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