50 Jahre Schweizerische Bibelgesellschaft: Die biblische Alphabetisierung muss weiter gehen

Aarau/Schweiz | 10.06.2005 | APD | Bibel

Über 100 Delegierte, Gäste und Freunde feierten am Freitagvormittag (10.6.) in der Stadtkirche von Aarau mit einem festlichen Gottesdienst und einem Festvortrag das 50-Jahr-Jubiläum der Schweizerischen Bibelgesellschaft (SB). Auf dem Nachmittagsprogramm in der Kirche der Minoritätsgemeinde stand neben der Jubiläums-Delegiertenversammlung auch ein Podiumsgespräch. Die nationale Bibelgesellschaft wurde 1955 in Aarau als Nachfolgerin des Bundes der Schweizerischen Bibelgesellschaften mit dem Ziel gegründet, die Bibel in verständlicher Sprache den Menschen zu bringen.

In ihrer Festpredigt wies Pfarrerin Claudia Bandixen, Kirchenratspräsidentin der evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Aargau, auf das Ziel der Bibelgesellschaften hin, "die Botschaft der Guten Nachricht sagbar zu machen" und die biblische "Wahrheit, die ausgesprochen werden muss, ob man sie hören will oder nicht, in allen Sprachen und Ländern der Welt zu verkünden". Sie regte zum ernsthaften Nachdenken über die Frage an, die oft von Jugendlichen gestellt wird, wenn man mit ihnen über die Bibel spricht: "Und, was bringt's mir?" Hier dürfe es keine "Wunder-Antworten" geben, etwa in der Weise: Bete richtig, glaube an die Bibel und du kriegst alles, was du willst. Die Heilige Schrift sei kein Wohlstandsevangelium, in dem alle möglichen und unmöglichen Wünsche von Gott erfüllt würden. Es sei eben nur schwer vermittelbar, was die Bibel - als Richtschnur für das Glaubensleben - für die Menschen so wichtig mache. "Es ist der innere Halt, den sie uns gibt und der zur persönlichen Gottesbeziehung führt," so die Pfarrerin. Die Menschen seien kaum je verletzlicher als dann, wenn sie über ihre innersten Glaubensüberzeugungen redeten. Christinnen und Christen hätten keine andere Wahl, als von Christus Zeugnis abzulegen und den Sohn des lebendigen Gottes, den Friedensfürst, anzukündigen. Letztlich sei nur erfahrbar "was die Bibel uns bringt, wenn wir uns ihrer Botschaft aussetzen", so Bandixen.

Der Pastor der Eglise française in Aarau, Michel Cornuz, ging in seiner französischen Wortverkündigung auf die Veränderungen in Kirchen und Gesellschaft ein. Heute müsse man Fragen stellen wie: "Auf welche Weise können wir die Lust und Freude am Bibellesen an kommende Generationen weitergeben?" oder "Welches Regal im riesigen Supermarkt der Weltanschauungen ist für die Bibel vorgesehen?" Selbstkritisch hob Cornuz hervor, man werde natürlich weiterhin die Bibel lesen, sie an Versammlungen verkünden; aber das Lesen aus der Bibel löse heute kaum mehr Überraschungen aus, geschehe ohne Aufsehen und ohne innere Verwandlung. Die Bibel sei zum vertrauten Gotteswort geworden, das man schon zu kennen glaube. Heute fehle der nötige Enthusiasmus für das Neue, für Entdeckung, für eine Veränderung des Lebens. In der Vergangenheit habe man zu sehr die Tendenz gehabt, die Bibel den Spezialisten zu überlassen, sie sei zum Objekt der Gelehrsamkeit geworden. Die Heilige Schrift als äussere Stimme Gottes müsse im Innersten unseres Lebens widerhallen und dann mit dem inneren Wort Gottes in Gleichklang kommen.

Den liturgischen Teil des Gottesdienstes, umrahmt von Orgelmusik, Bibellesung und Gesang, teilten sich Pfarrer Richard Nöthiger von der Stadtkirche Aarau und Pfarrer Urs Joerg, Generalsekretär der Schweizerischen Bibelgesellschaft.

m Festvortrag sprach der Generalsekretär des Weltbundes der Bibelgesellschaften (UBS), Reverend Miller Milloy, über die weltweite Bibelverbreitung und die verschiedenen Herausforderungen, denen sich die UBS stellen muss. Die Bibelgesellschaften begründen ihre weltweite Tätigkeit mit dem Missionsbefehl Jesu, wie er im Matthäus-Evangelium beschrieben wird. Sie wollen mit der Übersetzung, der Herausgabe und der Verbreitung der Guten Nachricht Möglichkeiten zur persönlichen Begegnung mit Jesus Christus, dem lebendigen Wort, schaffen.
Es sei keine leichte Aufgabe für den Weltbund alle Kirchen in ihren bibelmissionarischen Anstrengungen zu unterstützen, wenn man bedenke, dass es heute auf dem Globus mehr als 38'000 christliche Konfessionen, Kirchen und Gemeinschaften gäbe, formulierte Milloy.

Der schottische Pfarrer konnte mit bemerkenswerten Zahlen aufwarten: Allein in den letzten zehn Jahren haben die 142 in der UBS zusammengeschlossenen Bibelgesellschaften 5,5 Milliarden biblische Schriften, davon 215 Millionen vollständige Bibeln, verbreitet. Der Tatsache, dass weltweit rund 2 Milliarden nicht lesen können, begegnen die Bibelgesellschaften mit der Veröffentlichung und Verbreitung nicht-gedruckter Schriften. Zusammen mit einer Bibelmission haben sie das Audio-Kassetten-Programm "Glaube kommt durch's Hören" entwickelt. Dank weltweiter Schulung von 49'000 Pfarrern und Gemeindeleitern können sich heute viele Kirchengemeinden an diesem Programm beteiligen. Auch Bibelveröffentlichungen für Blinde und Sehbehinderte in Brailleschrift gehören zum Aufgabenbereich von UBS.

Beim Weltbund zeichne sich eine Ausweitung der ökumenischen Zusammenarbeit ab, betonte der UBS-Generalsekretär. So habe man mit der römisch-katholischen Kirche, insbesondere im Bereich der Bibelübersetzungen, gute Beziehungen. Auch mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) gebe es Kontakte, um die früheren guten Beziehungen zwischen UBS und ÖRK neu zu beleben. Schliesslich konnten seit der politischen Öffnung von Mittel- und Osteuropa (1980/1990) auch die Beziehungen mit den orthodoxen Kirchen des Ostens und des Orients aufgebaut werden.

Für die UBS, die letztes Jahr das 200-jährige Bestehen unter dem Motto "Gottes unveränderliches Wort für eine sich verändernde Gesellschaft" feiern konnte, sei klar, dass "alle Bibelgesellschaften sensibel sein müssen für den Heiligen Geist, für die verschiedenartigsten Situationen, denen wir begegnen und so zur Verbreitung des Wortes Gottes auf eine kreative Art und Weise antworten".

Das neue Erscheinungbild der SB

Die Delegiertenversammlung fand am Nachmittag unter der Leitung des Präsidenten der SB, Jakob Bösch, in den Räumlichkeiten der Minoritätsgemeinde Aarau statt. Den 40 Delegierten, 6 SB-Vorstandsmitgliedern, 10 SB-Mitarbeitenden und 30 Gästen wurde erstmals das neue Erscheinungsbild der SB mit einem neuen himmelblauen Logo in deutscher und französischer Version vorgestellt. Ein dreiteiliger Textblock weist auf "die Bibel", hin, die als flachliegender Balken die Aufschrift "von Gott – für Sie" trägt und auf dem Trägernamen "Schweizerische Bibelgesellschaft" liegt.

Im Rahmen des neuen SB-Leitbilds soll im Laufe des Jubiläumsjahres auch der Internet-Auftritt mit dem neuen Corporate Design gestaltet und ein "Bibel Shop" für On-Line-Shopping eingerichtet werden. Der Web-Auftritt wird dann von www.bibelgesellschaft.ch Abschied nehmen und mit www.die-bibel.ch ins Internet gehen.

Zu den Gästen der Jubiläumstagung zählten unter anderem Vertreter des Ökumenischen Rates der Kirchen, des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, der Schweizerischen Evangelischen Allianz, des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks und Bibelpastoralen Arbeitsstelle sowie die Generalsekretäre des Weltbundes der Bibelgesellschaften, der Französischen und der Italienischen Bibelgesellschaften.

Nach Genehmigung der Jahresberichte und der Jahresrechnung 2004, die wegen Rückgängen beim Verkauf und der Mittelbeschaffung einen Fehlbetrag von 61'500 Franken aufweist, wurde mit Frau Margun Welskopf (Bern) als neues Mitglied in den Vorstand aufgenommen. Gleichzeitig wählten die Delegierten den adventistischen Pastor Reto Mayer (Renens VD) zum Vizepräsidenten.

Zu einer Mutation kam es beim Mitgliederstand. Die Schweizerische Traktatmission (STM) hat ihre Mitgliedschaft beim SB auf eigenen Wunsch beendet.

Die SB will , so der Generalsekretär Urs Joerg, in Zukunft in verstärktem Masse ihrem bibelmissionarischen Auftrag nachkommen und sich für die "biblische Alphabetisierung in der Schweiz" einsetzen. Denn glaubt man einer Repräsentativumfrage von Professor Roland J. Campiche, so lesen in der Schweiz nur noch 5% der Einwohner regelmässig die Bibel. Zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung hingegen sollen nie in der Bibel lesen.

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