Verschärfung des deutschen Strafrechts bei Beschimpfungen religiöser Bekenntnisse?

Magdeburg/Deutschland | 28.07.2006 | APD | Religionsfreiheit

Der Streit um die Mohammed-Karikaturen und die Papstsatire "Popetown" des Fernsehsenders MTV hätten dazu geführt, dass vermehrt darüber nachgedacht werde, wie derartigen Erscheinungen mit Hilfe des Strafrechts begegnet werden könnten, gab der Leiter des Instituts für Religionsfreiheit an der adventistischen Theologischen Hochschule Friedensau bei Magdeburg, Dr. Harald Mueller, zu bedenken. In Deutschland sei der frühere Gotteslästerungsparagraph seit 1969 aus dem Strafgesetzbuch entfernt worden. Unter Strafe stehe jedoch laut § 166 StGB die Beschimpfung religiöser und weltanschaulicher Bekenntnisse sowie im Inland bestehender Kirchen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen. Das gelte allerdings nur dann, wenn die Beschimpfung in einer Weise geschehe, die geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören. An dieser Tatbestandsvoraussetzung würden häufig Strafanzeigen von betroffenen Gläubigen scheitern.

Der bayerische Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber habe unter dem Motto "Es darf nicht mit Füssen getreten werden, was anderen heilig ist“ eine Initiative entfaltet, die unter anderem eine Verschärfung des § 166 StGB zum Ziel habe, erläuterte Mueller. Demnach sollte auf das Merkmal der Eignung zur Friedensstörung verzichtet werden. Jedes als Beschimpfung zu wertende öffentliche Verhalten könnte damit strafbar sein. "Die angekündigte Gesetzesinitiative ist allerdings nicht völlig neu." Bereits im Jahr 2002 sei ein ähnliches Vorhaben an den Mehrheitsverhältnissen im Deutschen Bundestag gescheitert. Man dürfe gespannt sein, welchen Erfolg die Änderungsbemühungen diesmal haben würden. Der Versuch, religionsverhöhnende Beiträge zu bekämpfen und auf diese Weise ein Klima der gegenseitigen Toleranz zu fördern, verdiene Respekt.

"Es kann jedoch nicht übersehen werden, dass jede Verschärfung der gegenwärtigen Rechtslage notwendigerweise mit einer Einschränkung der Meinungsfreiheit einhergehen muss", betonte Mueller. Schwierige Abgrenzungsfragen stellten sich. "Was ist noch erlaubt, was nicht mehr? Karikaturen, Satire, beissende Kritik, vielleicht sogar die polemische Auslegung von Bibelstellen? Wer ist der Massstab?" Wahrscheinlich werde man eine Verbesserung der gegenseitigen Rücksichtnahme auf die religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer mit den Mitteln des Strafrechts kaum erreichen. Es stelle sich
daher die Frage, ob der Preis, den man im Hinblick auf die Einschränkung der Meinungsfreiheit zahlen müsste, nicht doch zu hoch wäre.

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