Militärdienst für Adventisten in den USA attraktiv

Washington D.C./USA | 03.11.2006 | APD | Religion + Staat

"Etwa 7.500 Siebenten-Tags-Adventisten dienen zur Zeit als Soldaten in den US-Streitkräften", teilte Pastor Gary R. Councell (Silver Spring, Maryland/USA), stellvertretender Leiter der Militär-, Krankenhaus- und Gefängnisseelsorge der adventistischen Weltkirchenleitung (Generalkonferenz), mit. Sie würden von rund 50 Militärgeistlichen der Freikirche betreut. "Doch wo bleiben die Nichtkämpfer, wie beispielsweise der Adventist Desmond Doss, der sich im Zweiten Weltkrieg weigerte, eine Waffe in die Hand zu nehmen, und dennoch als Sanitäter von US-Präsident Harry S. Truman die Ehrenmedaille des Kongresses als höchste Auszeichnung der Vereinigten Staaten für die Rettung von 75 verwundeten Kameraden auf Okinawa erhielt? ", fragte Councell. Als die Freikirche im 19. Jahrhundert gegründet wurde, hätten keine Zweifel bestanden, dass Adventisten Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen seien.

Noch in den 1970er Jahren sei es für fast alle Siebenten-Tags-Adventisten in den USA undenkbar gewesen, sich freiwillig zum Militärdienst zu melden. Doch das habe sich inzwischen geändert, beklagte Douglas Morgan (Silver Spring, Maryland/USA), Vorsitzender der 2001 gegründeten privaten Adventist Peace Fellowship (Adventistische Friedensgemeinschaft). Ein Wendepunkt sei nach dem Rückzug der USA aus dem Vietnamkrieg die Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 1973 gewesen. Seitdem habe die adventistische Kirche in den Vereinigten Staaten kaum noch Seminare für junge Leute zum Thema Militärdienst durchgeführt. Auch verfüge sie dort nur noch über sehr wenige Experten, die Jugendliche zu diesem Thema fachkundig beraten könnten. "Über Kriegsdienstverweigerung wird in adventistischen Schulen, Kirchengemeinden und Elternhäusern eigentlich nicht mehr gesprochen, da die Wehrpflicht schon zu lange zurückliegt. Aber wie sollen Jugendliche dann eine Orientierungshilfe bekommen?", gab Morgan zu bedenken. Daher sei es nicht verwunderlich, dass die Armee in die berufliche Planung mit einbezogen werde.

Laut Pastor Councell sei der Wehrdienst für junge Adventisten durchaus attraktiv. So wäre ein Hochschulbesuch in den USA sehr teuer. Hier biete die Regierung nach dem Motto "Gehst du zu den Streitkräften, finanziere ich dein Studium" Hilfe an. Arbeitslose ohne Perspektive fänden in der Armee ein geordnetes Dasein, wüssten, was von ihnen erwartet werde, und könnten eine Berufsausbildung absolvieren. Vielen stelle sich nicht mehr die Frage, ob die Ausbildung zum Töten ethisch zu verantworten sei. Sie sähen in den Streitkräften die Möglichkeit, später als Zivilist bessere Berufschancen zu haben. In den USA leben eine Million erwachsen getaufte Siebenten-Tags-Adventisten in 4.800 Gemeinden.

"In Europa herrscht dagegen unter den Adventisten im Allgemeinen noch immer die Ansicht, dass der Militärdienst nicht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen ihrer Freikirche steht", betonte der Präsident der Siebenten-Tags-Adventisten in den Niederlanden, Pastor Dr. Reinder Bruinsma, Huis ter Heide bei Utrecht. So sei es zum Beispiel äusserst ungewöhnlich, wenn ein Adventist in Holland Soldat werde. Der Zweite Weltkrieg mit seinen Zerstörungen stünde immer noch im Bewusstsein der europäischen Mitglieder der Freikirche. In Polen gebe es einige junge Adventisten, die sich für den Wehrdienst entschieden. "Doch das ist ihre ganz persönliche Gewissensentscheidung", meinte der Sekretär (Geschäftsführer) der polnischen Adventisten, Pastor Roman Chalupka (Warschau). Die Freikirche empfehle keineswegs den Militärdienst, übe aber auch keinen Druck auf ein Mitglied aus, das sich anders entscheide.

"In Deutschland leisten fast alle wehrpflichtigen Adventisten Zivildienst", teilte Pastor Holger Teubert (Ostfildern bei Stuttgart), Leiter des Referates für Kriegsdienstverweigerung und Zivildienst der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland, mit. Selbst in der früheren DDR hätten etwa 90 Prozent der wehrpflichtigen Mitglieder der Freikirche den waffenlosen Dienst als Bausoldaten gewählt, obwohl er mit Schikanen und beruflichen Nachteilen verbunden gewesen wäre.

In der Schweiz leisten die meisten adventistischen Christen den Militärdienst ohne Waffen, so Dr. Pierre Hess, Abteilungsleiter für religiöse Freiheit der Schweizer Union der Freikirche. "Diejenigen die zunächst den Dienst mit Waffe wählen, lassen sich nach der Grundausbildung immer häufiger zum waffenlosen Dienst einteilen. Auch der Zivildienst wird als Alternative genutzt."

"Als 1863 die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten in den USA gegründet wurde, tobte gerade der Amerikanische Bürgerkrieg, sodass die Kirchenleiter bei der Regierung in Washington die Anerkennung ihrer Glaubensgemeinschaft als Nichtkämpfer beantragten, die 1864 auch gewährt wurde", erläuterte Teubert. Als die Nordstaaten immer mehr Soldaten benötigten, hätten sich die Fälle gehäuft, in denen Adventisten die Rechte als Nichtkämpfer verweigert und sie gegen ihren Willen eingezogen worden seien. Die Freikirchenleitung habe die persönliche Entscheidung des Einzelnen akzeptiert und niemanden ausgeschlossen, der dem Druck nachgab und entgegen den Empfehlungen der Kirche als Soldat Waffendienst leistete. Als die USA 1917 in den Ersten Weltkrieg eintraten, hätten sich die amerikanischen Adventisten wie im Bürgerkrieg bei der Regierung um die Anerkennung als Nichtkämpfer bemüht, ebenso im Zweiten Weltkrieg sowie im Korea- und Vietnamkrieg.

Dass jetzt einige tausend amerikanischer Adventisten freiwillig Militärdienst leisteten, sei für Teubert nicht nachvollziehbar. Er erinnerte daran, dass der Präsident der adventistischen Generalkonferenz (Weltkirchenleitung), der aus Norwegen stammende Pastor Dr. Jan Paulsen, die positive Haltung US-amerikanischer Adventisten zum Militär indirekt kritisierte. In einer Pressekonferenz im Oktober 2002 habe er im Hinblick auf einen möglichen Irak-Krieg daran erinnert, dass die Freikirche traditionell ihre Mitglieder auffordere, nicht an Kampfhandlungen teilzunehmen. "Ich bin Kriegsdienstverweigerer“, unterstrich er damals, „und es mag sein, dass sich unsere Kirche an diesen Standpunkt erneut erinnern lassen muss".

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