Vatikan: Lockerung des Zölibats möglich, weil kein Dogma

São Paolo/Brasilien, | 05.12.2006 | APD | Ökumene

Wegen des akuten Priestermangels könnte der Vatikan demnächst eine Lockerung des Zölibats anstreben. Der neue Präfekt der Kleruskongregation, der brasilianische Kardinal Claudio Hummes, betonte jetzt in einem Interview, die Ehelosigkeit der Priester sei kein Dogma, sondern eine disziplinarische Norm.

"Die Kirche ist nicht unbeweglich", sagte Hummes der renommierten brasilianischen Zeitung "Estado de São Paolo". Schliesslich seien sogar einige Apostel verheiratet gewesen: "Die Kirche kann das Thema noch einmal überdenken", erklärte der Kardinal, der als enger Vertrauter Benedikts XVI. gilt.

"Die Kirche bewegt sich", titelte die Turiner Zeitung "La Stampa" am 4. Dezember. Erst Mitte November hatte der Heilige Stuhl bei einem Treffen des Papstes mit der Spitze der römischen Kurie über das strittige Thema beraten. Allerdings machte der Vatikan anschliessend deutlich, dass eine rasche Wende nicht zu erwarten ist. Die Diskussionen hatte vor allem der Fall des exkommunizierten afrikanischen Erzbischofs Emmanuel Milingo ausgelöst. Der 76-Jährige hatte bereits vor Jahren in einer Massenzeremonie der Moon-Sekte geheiratet. Kürzlich weihte er in den USA verheiratete Männer zu Bischöfen und heizte damit die Debatte erneut an. In den christlich-orthodoxen Kirchen gilt das Eheverbot im allgemeinen nur für Bischöfe, die ohnehin meist den zölibatären Mönchsorden entstammen.

Vatikan-Sprecher P. Federico Lombardi ging inzwischen ins Fernsehen, um den von brasilianischen und italienischen Presseberichten ausgelösten Vermutungen über eine Abschaffung des Zölibats für die katholischen Priester des lateinischen Ritus entgegenzutreten.

"Wer denkt, dass Änderungen unmittelbar bevorstehen, täuscht sich", sagte Lombardi laut Kathpress. Auch wenn der Zölibat kein Dogma sei und nie sein werde, stehe diese Frage nicht auf der Tagesordnung.

Für die Tradition unverheirateter Priester sprächen gewichtige theologisch-spirituelle und pastorale Gründe, argumentierte Lombardi. Auch nach Auffassung der meisten katholischen Bischöfe dürfe trotz des Priestermangels die gegenwärtige Regelung nicht in Diskussion gezogen werden.

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Stichwort: Zölibat

Zölibat bezeichnet die aus religiösen Gründen gewählte Ehelosigkeit. Diese Verpflichtung, die nicht zum Wesen des Priestertums gehört, beginnt mit der Weihe zum Diakon. Begründet wird der Zölibat mit der Wertschätzung von Keuschheit und Jungfräulichkeit sowie der Dienstfunktion von Klerikern.

Aus der Bibel lässt sich der Zölibat nicht ableiten, auch wenn an mehreren Stellen des Neuen Testaments ein Bezug zu ihm feststellbar ist.

Das Zweite Vatikanische Konzil bestätigte den verpflichtenden Charakter des Zölibats, der bereits 1139 auf dem Höhepunkt des Investiturstreits zum Kirchengesetz der römisch-katholischen Kirche wurde. Dispens von dieser Verpflichtung kann "einzig und allein vom Papst gewährt" werden, da damit untrennbar die Entlassung aus dem Klerikerstand verbunden ist.

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