Reformiertes Wort im ökumenischen Kontext: "Die wahre Kirche muss sich auch als solche erweisen"

Bern/Schweiz | 05.11.2007 | APD | Ökumene

Der Ratspräsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK), Pfarrer Thomas Wipf sprach vor den Delegierten der Abgeordnetenversammlung in Bern zur ökumenischen Situation in der Schweiz aus reformierter Sicht.

"Wir lassen uns nicht beirren. Wir tun weiterhin das gemeinsam, was wir bisher gemeinsam getan haben und weiter gemeinsam tun können. " Diesen Appell richtete der Ratspräsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes und reformierte Pfarrer Thomas Wipf, am 5. November in seinem Wort zur ökumenischen Situation in der Schweiz an die Delegierten der 26 Mitgliedkirchen.

In seiner Rede äusserte sich Wipf ausführlich über das reformierte Kirchenverständnis und die Zukunft der Ökumene. "Wir sind Kirche", so Wipf. Kirche sei nach reformatorischem Verständnis da, wo das Evangelium verkündigt wird, die Sakramente schriftgemäss gefeiert werden und wo die Gemeinde sich in Zeugnis und Dienst in der Welt einsetzt. Evangelische Kirchen seien zudem konstitutiv ökumenische Kirchen, denn die Perspektive gehe stets über die eigenen Grenzen hinaus. "Ökumene ist für uns nicht eine Option. Ökumene gehört zu unserem Sein. " Darin seien sich die reformierte und die römisch-katholische Kirche in der Schweiz einig.

Ökumene bedeute dabei das gegenseitige Annehmen als zur einen Kirche Jesu Christi gehörig. Die evangelischen Kirchen hätten dies durch die Unterzeichnung der Leuenberger Konkordie 1973 möglich gemacht. In dem Modell der "Einheit in versöhnter Verschiedenheit" sei eine europaweite Kirchengemeinschaft zwischen Kirchen unterschiedlichen Bekenntnisses und unterschiedlicher Gestalt möglich geworden. Ein bedeutender ökumenischer Schritt in der Schweiz sei aber auch die gegenseitige Anerkennung der Taufe zwischen der evangelischen, der römisch-katholischen und der christkatholischen Kirche von 1973. Die Taufe sei damit zu einem "ökumenischen Sakrament" geworden.

Zum Anspruch der katholischen Kirche die apostolische Sukzession als entscheidendes Kriterium für eine Anerkennung als Kirche anzuwenden, betonte Wipf, dass für die evangelischen Christen nicht die Bischöfe die Nachfolger der Apostel seien, sondern die Bibel. Wipf wörtlich: "Die Treue zur biblischen Botschaft macht nach unserem Verständnis die Kirche zur Kirche in apostolischer Sukzession." Für die katholische Kirche bedeutet der Fachausdruck "apostolische Sukzession", dass die Bischöfe der katholischen Kirche in ununterbrochener Kette durch andere Bischöfe geweiht werden und so ihr Amt auf die Apostel zurückführen. Dies bezieht sich auf alle katholischen Amtsträger (Bischöfe, Priester, Diakone).

Nach evangelischem Verständnis, so Wipf weiter, sei die Kirche nicht die Wahrheit, sondern sie diene der Wahrheit. Wahre Kirche zu sein, werde den Kirchen zugesprochen, die dem Wort Christi "in Predigt, Taufe und Abendmahl Raum gewähren". Nach reformiertem Verständnis müsse sich eine Kirche jedoch auch als solche erweisen, und zwar in den Antworten auf Fragen, die die Menschen heute bewegen. In diesem Sinn erwartet Wipf vor allem auch im Hinblick auf konfessionsgemischte Familien und Lebensgemeinschaften ökumenische Fortschritte. Wipf: "Als Kirchen sollen wir Zeugnis- und Dienstgemeinschaft sein, Kirche für die Menschen und für die Welt."

Bereits am 30. Oktober hielt Pfarrer Thomas Wipf in seiner Eigenschaft als Präsident der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) in Wien eine Festansprache am Vorabend des Reformationsfestes über den Protestantismus im heutigen Europa. Dabei betonte er, dass die Kirchen nur dann Bedeutung und Kraft entfalten könnten, wenn sie in die Gemeinden, bis zu den Menschen vordringen. Die evangelischen Kirchen beruhten dabei auf der Partizipation des Einzelnen, auf dem synodalen und demokratischen Prinzip. "Kirche ist nicht die Gemeinschaft der Kirchenleitungen. Kirche ist die Gemeinschaft der Glaubenden", so Wipf in seinen Vortrag.

Wipf betonte: "Wo auf Gottes Wort gehört und die Sakramente gemäß der Heiligen Schrift gefeiert werden, da ist Kirche im eigentlichen Sinn." Die Tatsache, dass nach 450 Jahren der Trennung Kirchen einander Gemeinschaft gewährten in Wort und Sakrament, bedeute nichts weniger als der bisher bedeutendste ökumenische Durchbruch. Diejenige Kirche, die sich – im Respekt vor den verschiedenen Bekenntnistraditionen – um das eine, ihr von Christus gegebene Wort und das Sakrament sammle und Gott für diese Gabe danke, sei Teil der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche. Diese Kirche müsse sich auch nicht fragen, ob sie wirklich Kirche sei. "Sie ist Kirche“, so der reformierte Theologe.

Link:
Festansprache Wipf (Wien): Einheit in Vielfalt – Protestantismus in Europa:
http://www.leuenberg.eu/daten/File/Upload/doc-7390-1.pdf

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