Mehrheit der Tschechen gegen Rückgabe von Kircheneigentum

Prag/Tschechische Republik | 18.08.2008 | APD | Religion + Staat

Mehr als 75 Prozent der Tschechen lehnen die geplante Rückgabe von verstaatlichtem Kircheneigentum ab. Das geht aus einer repräsentativen Befragung des Prager Meinungsforschungsinstituts STEM hervor. Demnach halten lediglich 36 Prozent die Rückgabe des unter den Kommunisten konfiszierten Besitzes für erforderlich, damit die Kirchen ihrer Tätigkeit unabhängig vom Staat nachgehen könnten. Nach Einschätzung von STEM ist damit die Skepsis der Tschechen gegenüber den christlichen Kirchen weiter gewachsen. Positiv werde lediglich deren karitative Tätigkeit gesehen.

In der Umfrage gaben 27 Prozent an, dass sie an Gott glaubten. 57 Prozent verneinten dies; 16 Prozent äusserten sich nicht. Die Tschechische Republik zählt - mit der ehemaligen DDR und Estland - zu den am stärksten atheistisch geprägten Ländern des ehemaligen Ostblocks.

Nach Angaben der Nachrichtenagentur Kathpress (Wien) hatte eine gemeinsame Staat-Kirche-Kommission zu Jahresbeginn einen Kompromiss zur Rückgabe des Kircheneigentums ausgehandelt. Demnach sollen die Kirchen etwa ein Drittel ihres einstigen Eigentums direkt zurückbekommen. Für den Rest ist eine finanzielle Entschädigung vorgesehen, die über einen Zeitraum von 60 Jahren ausgezahlt werden soll. Durch die auflaufenden Zinsen handelt es sich um einen Betrag von umgerechnet rund zehn Milliarden Euro.

Die Kirchen könnten gemäss dem Kompromiss mit der Herausgabe von 20.000 Hektar Bodenfläche, 65.000 Hektar Wald und mehr als 3.000 Gebäuden rechnen. Sie müssen jedoch nachweisen, dass es sich um Eigentum handelt, das ihnen zum Stichtag 25. Februar 1948 tatsächlich gehörte. An jenem Tag hatten die Kommunisten in der damaligen Tschechoslowakei die Macht übernommen.

Die tschechische Regierung hat dem Plan bereits zugestimmt. Im Parlament liegt der Gesetzentwurf jedoch seit Monaten auf Eis. Neben den oppositionellen Kommunisten und Sozialdemokraten sind auch mehrere Abgeordnete der grössten Regierungspartei, der liberalkonservativen Bürgerpartei ODS von Ministerpräsident Mirek Topolanek, gegen die ihrer Meinung nach "zu grosszügige" Regelung.

Gemäss Erhebungen des Tschechischen Statistischen Amtes von 2003 sind 59 % der Einwohner Tschechiens konfessionslos; 26,8 % sind römisch-katholisch und 2,3 % sind Protestanten; 3,2 % gehören sonstigen Religionsgruppen an, unter ihnen hauptsächlich etwa 7000 Buddhisten und etwa 3700 Muslime. Die Zahl der tschechischen Juden beschränkt sich auf 5000. Eine Besonderheit stellt die orthodoxe Kirche der Tschechen und Slowaken dar, da diese nach der Auflösung der Tschechoslowakei bis heute eine binationale Glaubensgemeinschaft bildet. Von den insgesamt 77.053 orthodoxen Tschechoslowaken bekannten sich vor der Trennung 23.053 Tschechen zu dieser Glaubensgemeinschaft. Seit Januar 1993 bilden Tschechen und Slowaken zwei unabhängige Staaten.

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