Österreich: «Religionsrat» diskutiert Demokratieverständnis von Islam-Religionslehrern – <br> Staat schliesst neue Arbeitsverträge ab

Wien/Österreich | 16.02.2009 | APD | Religion + Staat

Das 2006 gegründete "Forum abrahamitischer Religionen" (FAR) in Österreich, eine Art "Religionsrat", hat sich am 10. Februar mit der Kontroverse um islamische Religionslehrer und deren mangelndes Bekenntnis zur Demokratie befasst.

Im Mittelpunkt der Gespräche stand die öffentliche Debatte um islamische Religionslehrer, welche durch Bekanntwerden höchst problematischer demokratiefeindlicher Einstellungen ausgelöst wurde. Der Soziologe und Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide ermittelte in einer sorgfältig durchgeführten schriftlichen Umfrage im Rahmen seiner Dissertation Demokratie-Defizite unter islamischen Lehrern.

Gemäss Umfrage lehnen 14,7 Prozent die österreichische Verfassung ab, 13,9 Prozent halten die Teilnahme an Wahlen für nicht mit dem Islam vereinbar und 28,4 Prozent sehen einen Widerspruch darin, gleichzeitig Moslem und Europäer zu sein. Ausserdem haben 37 Prozent keine theologische, 41 Prozent keine pädagogische Ausbildung. Unter den islamischen Religionslehrern halten auch 18,2 Prozent die Todesstrafe bei Apostasie, also dem Abfall vom islamischen Glauben, für gerechtfertigt. Immerhin haben noch 8,5 Prozent Verständnis dafür, wenn Gewalt zur Verbreitung des Islam angewendet wird.

Die Forums-Mitglieder informierten sich gegenseitig über geplanten Massnahmen des Bildungsministeriums, den aktuellen Konflikt mit einem "Fünf-Punkte-Programm" zur Demokratisierung der muslimischen Religionslehrer zu lösen.

Mit dem zuständigen Ministerium hat die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) vereinbart, dass es für alle muslimischen Religionslehrer und -lehrerinnen ab Herbst 2009 neue Arbeitsverträge geben wird, in deren Präambel ein Ja zu Demokratie, zur Bundesverfassung und zur Allgemeinen Erklärung der Menschrechte ausgesprochen wird.

Nach eigenen Angaben zählt die IGGiÖ derzeit 420.000 Mitglieder. Davon erhalten 50.664 Schüler und Schülerinnen islamischen Religionsunterricht. Die Arbeit der Religionslehrer und Religionslehrerinnen wird von acht Religionsinspektoren beaufsichtigt. Neben der römisch-katholischen und der evangelischen Kirche ist der Islam in Österreich die drittgrösste Religionsgemeinschaft. Die gesetzliche Anerkennung des Islams, heute vertreten durch die Islamischen Glaubensgemeinschaft, geht auf das Islamgesetz von 1912 zurück.

An der Forums-Sitzung wurde bekannt, dass der Textentwurf für eine neue Verfassung der IGGiÖ fertig gestellt und Anfang 2009 dem zuständigen Bundesministerium vorgelegt wurde. Danach seien an der Sitzung des Obersten Rates, dem Ausführungsorgan des Schurarates, am 14. Februar noch einige redaktionelle Verbesserungen vorgenommen worden. Somit stehe einer Wahl von neuen IGGiÖ-Verantwortungsträgern nichts im Weg.

Zu den Zielen des "Forums abrahamitischer Religionen" gehört es insbesondere, die gegenseitige Wahrnehmung von Gläubigen der drei monotheistischen Religionen auch durch Kontakte zwischen Religionslehrern und Schülern zu fördern. Das Forum trifft sich turnusgemäss im September 2009 zu einem weiteren Gedankenaustausch.

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