Freikirchen: Kinder sind vor Gewalt in der Erziehung zu schützen

Frankfurt am Main/Ostfildern bei Stuttgart | 20.10.2010 | APD | Freikirchen

In der am 17. Oktober ausgestrahlten Fernsehtalkshow „Tacheles“ sagte der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN), Professor Dr. Christian Pfeiffer, unter Bezug auf eine Studie aus seinem Haus, dass Kinder aus evangelischen Freikirchen besonders häufig körperliche Züchtigung erlitten. Auf Rückfrage der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF), die zum breiten Spektrum der evangelischen Freikirchen gehöre, habe Professor Pfeiffer bestätigt, dass aufgrund der Studie des KFN keine spezifischen Aussagen über die zur VEF gehörenden Freikirchen möglich seien. Die Grössenordnung, in der die Mitgliedskirchen der VEF hier betroffen sein könnten, bleibe daher vage, teilte die VEF mit.

Rosemarie Wenner, Bischöfin der Evangelisch-methodistischen Kirche und Vorsitzende der VEF brachte ihre Betroffenheit zum Ausdruck: „Wir sorgen uns darum, wie es Kindern und Jugendlichen in unseren Kirchen und Familien ergeht. Wenn Eltern in unseren Gemeinden die Treue zur Bibel derart missverstehen würden, dass sie Kinder prügeln, gäbe es dringend Handlungsbedarf, zumal unsere evangelischen Freikirchen sich sehr stark in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien engagieren.“

Einige der VEF-Mitgliedskirchen hätten, laut Bischöfin Wenner, bereits seit längerer Zeit für alle Mitarbeiter in Kinder- und Jugendgruppen einen Verhaltenskodex in Verbindung mit einer Selbstverpflichtung formuliert, die jede Art von Gewalt ausdrücklich ausschliesse. Handreichungen, Schulungen und Beratungsstellen ergänzten diese Initiativen. Auch wenn in keiner der VEF-Kirchen Gewalt legitimiert und als Erziehungsprinzip oder zum Lösen von Konflikten theologisch begründet werde, müsste alles getan werden, um für Transparenz und Aufklärung zu sorgen, wo es in Einzelfällen Verstösse gegen das Prinzip der Gewaltfreiheit gebe. Das Präsidium der VEF habe dazu erklärt: „Der Prozess der selbstkritischen Überprüfung hat zu jeder Zeit in allen VEF-Kirchen zu erfolgen, um dem unbedingten Schutz aller Kinder und Jugendlichen vor jeder Form von Gewalt mit aller Aufmerksamkeit zu entsprechen.“

Die Vereinigung Evangelischer Freikirchen wolle, so Rosemarie Wenner, Fehlinterpretationen der Bibel entgegenwirken, wonach körperliche Züchtigung ein zeitlos gültiges Mittel zur Erziehung sei. Hierzu wären genauere Studien notwendig, die von der VEF unterstützt würden.

Pastor Günther Machel (Ostfildern bei Stuttgart), Vorsitzender der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland, wies darauf hin, dass beim Thema Missbrauch meist nur an sexuelle Gewalt gedacht werde. Doch es gebe zudem einen körperlichen und emotionalen Missbrauch, der die von Gott gegebene Würde des Menschen verletze. „Auch Kinder werden durch Schläge in ihrer Persönlichkeit herabgesetzt.“ Körperliche Züchtigung sei ein billiges und fragwürdiges Mittel der Erziehung. Aufwändiger, aber wirksamer und anhaltender, wären dagegen Gespräche, um ein Kind zur Einsicht zu führen. Gewalt erzeuge Gegengewalt und löse Probleme nicht. Deshalb wende sich die Freikirche auch gegen den Missbrauch von Kindern durch prügeln.

(3167 Zeichen)
© Nachrichtenagentur APD Basel (Schweiz) und Ostfildern (Deutschland). Kostenlose Textnutzung nur unter der Bedingung der eindeutigen Quellenangabe "APD". Das © Copyright an den Agenturtexten verbleibt auch nach ihrer Veröffentlichung bei der Nachrichtenagentur APD. APD® ist die rechtlich geschützte Abkürzung des Adventistischen Pressedienstes.