Titelbild der Broschüre „Sexueller Gewalt begegnen © Foto: Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland

„Wir haben den Verleumdeten nicht geglaubt“ - Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland bekennt Schuld bei sexueller Gewalt

Altena, Westfalen/Deutschland | 08.12.2011 | APD | International

Der Ausschuss der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland hat am 5. November während seiner Jahressitzung in Altena/Westfalen eine Erklärung zum Thema „Sexuelle Gewalt“ beschlossen. Darin heisst es, dass die Freikirche jede Art von Gewaltausübung und Verletzung der Menschenwürde ablehne. „Dennoch bekennen wir, dass es im ‚Schutzraum‘ unserer Ortsgemeinden sexuelle, körperliche und seelische Gewalt gibt. Wir bekennen, dass Verantwortliche und Familien unserer Freikirche das leibliche und seelische Leiden von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen aus unserer Mitte übersehen haben, ohne die Stimme für sie zu erheben; ohne ihnen zur Hilfe zu eilen. Wir sind schuldig geworden am Leben der Schwächsten und Wehrlosesten unter uns – unseren Kindern.“

In der Erklärung wird bedauert, „dass im Raum der Freikirche die Würde von Verletzten durch Verleumdung und Entwürdigung beschämt und entehrt wurde. Wir haben den Verleumder oft nicht seines Unrechtes überführt und die Verleumdeten häufig genug ihrem Schicksal überlassen, indem wir ihnen nicht geglaubt haben.“

Dabei wird betont: „Indem die Freikirche hiermit ihre Schuld bekennt, entbindet sie den Einzelnen nicht von seiner und die Täter/-innen nicht von ihrer persönlichen Schuld, sondern sie ruft alle in die Gemeinschaft des Schuldbekenntnisses hinein.“

Es folgt das Eingeständnis des Scheiterns, „dass wir nicht mutiger hinschauten und konfrontierten, nicht gehorsamer dem Willen Gottes folgten und nicht schützender unseren Nächsten beigestanden haben“. Nun solle ein neuer Anfang gemacht werden, um „den nötigen Schutzraum zu schaffen“.

Die Freikirche hatte bereits im September 2009 zur Sensibilisierung über das Thema an alle 23.000 Haushalte ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik die von ihr herausgegebene Broschüre „Sexueller Gewalt begegnen“ gesandt. Ende 2009 beschloss der Ausschuss der Freikirche in Deutschland, dass alle Haupt- und Ehrenamtlichen, die junge Menschen betreuen, einen Verhaltenskodex unterschreiben müssen. Zusätzlich wurde von allen Hauptamtlichen ein polizeiliches Führungszeugnis eingefordert. Ausserdem gründete die Freikirchenleitung den Fachbeirat „Sexueller Gewalt begegnen“ und stattete ihn mit Kompetenzen aus. Der Beirat bearbeitet und begleitet im Auftrag der Kirchenleitung alle auftretenden Fälle sexuellen Missbrauchs und sexueller Gewalt im Zusammenhang mit Minderjährigen und Schutzbefohlenen innerhalb der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland. Geleitet wird er von Professor Dr. Johann Gerhardt, dem früheren Rektor der adventistischen Theologischen Hochschule Friedensau bei Magdeburg.


Dokumentation:

Erklärung der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland zu sexueller Gewalt

Als Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten haben wir uns dem Evangelium von Jesus Christus verpflichtet und lehnen deshalb jede Art von Gewaltausübung und Verletzung der Menschenwürde ab.

Dennoch bekennen wir, dass es im „Schutzraum“ unserer Ortsgemeinden sexuelle, körperliche und seelische Gewalt gibt. Wir bekennen, dass Verantwortliche und Familien unserer Freikirche das leibliche und seelische Leiden von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen aus unserer Mitte übersehen haben, ohne die Stimme für sie zu erheben; ohne ihnen zur Hilfe zu eilen. Wir sind schuldig geworden am Leben der Schwächsten und Wehrlosesten unter uns – unseren Kindern.

Es tut uns leid, dass im Raum der Freikirche die Würde von Verletzten durch Verleumdung und Entwürdigung beschämt und entehrt wurde. Wir haben den Verleumder oft nicht seines Unrechtes überführt und die Verleumdeten häufig genug ihrem Schicksal überlassen, indem wir ihnen nicht geglaubt haben.

Indem die Freikirche hiermit ihre Schuld bekennt, entbindet sie den Einzelnen nicht von seiner und die Täter/-innen nicht von ihrer persönlichen Schuld, sondern sie ruft alle in die Gemeinschaft des Schuldbekenntnisses hinein.

Nur als von Christus Begnadete können wir vor Christus bestehen. Unter die stellvertretende Sühne durch den Kreuzestod Jesu rufen wir alle, die für ihre persönliche Schuld Verantwortung übernehmen und aus der Vergebung leben wollen.

Wir gestehen unser Scheitern, dass wir nicht mutiger hinschauten und konfrontierten, nicht gehorsamer dem Willen Gottes folgten und nicht schützender unseren Nächsten beigestanden haben.

Nun ist ein neuer Anfang gemacht. Gegründet auf die Heilige Schrift, mit ganzem Ernst ausgerichtet auf Jesus Christus und seinen Willen, sind wir entschlossen dabei, den nötigen Schutzraum zu schaffen. Wir vertrauen auf den Gott der Gnade und Barmherzigkeit, dass er uns das Gelingen schenkt – in unseren Gemeinden, in unseren Familien und bei uns selbst.

Diese Erklärung wurde vom Fachbeirat „Sexueller Gewalt begegnen“ erarbeitet und vom Ausschuss der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland am 5. Dezember 2011 in Altena/Westfalen beschlossen.

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