Jüdisches Leben durch rechtsextreme Aufmärsche gefährdet

Dresden/Deutschland | 20.02.2012 | APD | International

Rund 100 Menschen folgten am 18. Februar einer Einladung der jüdischen Gemeinde in Dresden, den Schabbatgottesdienst in ihrer Synagoge zu besuchen und damit ein Zeichen der Verbundenheit zu setzen. Anlass waren die Aufmärsche von Rechtsextremen, die jährlich zum Jahrestag der Zerstörung Dresdens am 13. Februar 1945 durch die Stadt führen.

Kantor Alexander Nachama wies in seiner Ansprache darauf hin, dass die rechtsextremen Aufmärsche die ausgelassene Fröhlichkeit, die im Monat Adar des jüdischen Kalenders herrschen sollte, zunichtemachten. „Dass es nach der Schoa wieder Aufmärsche gibt, in denen Meinungen zum Ausdruck gebracht werden, die an die schrecklichen Jahre von 1933 bis 1945 erinnern, das verdirbt jede Freude, ja das macht es beim besten Willen unmöglich, so zu tun, als wäre alles in Ordnung“, so Nachama.

Mit dem Thoravers „Du sollst der Menge nicht auf dem Weg zum Bösen folgen“ (Ex 23,2) erinnerte Nachama an die Verantwortung des Einzelnen. Er sei jedoch überzeugt, dass nicht jeder aus dem Kreis der Rechtsextremen völlig vom Bösen beherrscht werde. Häufig sei die rechtsextreme Gesinnung auf falsche Einflüsse zurückzuführen. Denn niemand werde damit geboren, Hass gegen andere Menschen zu führen. „Menschen vor falschen Einflüssen zu schützen, das ist eine der wichtigsten Aufgaben in unserer Gesellschaft“, mahnte der Kantor. Umso wichtiger sei es, dass in den Schulen von Auschwitz gesprochen werde. Es wäre bedenklich, dass viele Schüler mit dem Begriff nichts anzufangen wüssten. Die Geschichte müsse stärker reflektiert werden. Schliesslich sei die Zeit des Nationalsozialismus nicht nur für Juden, sondern auch für viele Deutsche eine schlimme Zeit gewesen, betonte Nachama, dessen Grossvater die Schoa überlebte.

Rechtsextremistische Organisationen nutzen seit langem den Jahrestag der Zerstörung Dresdens zu Aufmärschen. Weil sich in den zurückliegenden Jahren jeweils mehrere Tausend Menschen den Rechtsextremen in den Weg gestellt hatten, wurden deren Aufmärsche verhindert oder deutlich verkürzt. Den diesjährigen Aufruf des Bündnisses „Dresden nazifrei“, den Aufmarsch am 13. Februar zu blockieren, hatten zahlreiche Organisationen und Einzelpersonen mitgetragen. Auch der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan J. Kramer, befürwortete die rechtlich umstrittenen Blockadeversuche. Die wehrhafte Demokratie müsse man „auch zubeissen lassen dürfen“, sagte Kramer gegenüber der Tageszeitung „neues deutschland“. Zugleich kritisierte er die Strafverfolgung der Blockadeteilnehmer durch die sächsische Justiz.

Die Staatsanwaltschaft Dresden hatte bei einem Blockadeversuch eines rechtsextremen Aufmarsches im Vorjahr 484 Verstösse gegen das Versammlungsgesetz registriert, 70 Strafbefehle erlassen und in drei Fällen Anklage erhoben. Ein 22-jähriger Student wurde daraufhin wegen der Störung einer Versammlung verurteilt, die Verteidigung beantragte eine Sprungrevision zum Bundesverfassungsgericht.

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