Bundesgericht: Austritt aus Landes- und Weltkirche nicht identisch

Lausanne/Schweiz | 07.08.2012 | APD | Religionsfreiheit

Das Bundesgericht, oberste Instanz der Rechtspflege in der Schweiz, hat am 3. August ein Urteil publiziert, wonach eine austrittswillige Katholikin im Kanton Luzern zwar aus der staatskirchenrechtlichen Körperschaft austreten, aber weiterhin ihre römisch-katholische Konfession behalten könne. „Ob der Ausgetretene weiterhin einer unsichtbaren oder einer rein nach geistlichem Recht verfassten Kirche angehört, ist aus staatlicher Sicht unbeachtlich“, hielt das Bundesgericht in den Erwägungen zum Urteil fest. Im Jahr 2002 hatte diese Instanz noch die Auffassung vertreten, dass der sogenannte partielle Kirchenaustritt von der Landeskirche nicht gewährt werden müsse.

Kirchenaustritt betrifft staatskirchenrechtliche Aspekte
„Wer aus der Kirche austritt, entledigt sich der Rechte und Pflichten, die er nach staatlichem Recht gegenüber der Kirche hat“, hält das Bundesgerichtsurteil fest. Die Kirchensteuerpflicht und das Stimmrecht in der Gemeinde entfielen, solcherart Ausgetretene dürften sich aber weiterhin „katholisch“ bezeichnen. „Das Auseinanderfallen von staatskirchenrechtlicher und innerkirchlicher Mitgliedschaft … ergibt sich aus dem Umstand, dass das kanonische Recht keinen Kirchenaustritt vorsieht und damit bei Austritten unvermeidlicherweise zu zwei Kategorien von Mitgliedern - den staatlicherseits Ausgetretenen und den Nichtausgetretenen - führt.“ Weiter heisst es dazu in den Erwägungen zum Urteil: „Die Religionsfreiheit steht der Übernahme der innerkirchlichen Unauslöschlichkeit der Mitgliedschaft entgegen und setzt damit dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht notwendigerweise eine Schranke.“

Aus verfassungsrechtlicher Sicht erweise sich demnach der Austritt aus der römisch-katholischen Landeskirche als ausreichend, so die Bundesrichter, „eine gleichzeitige Aufgabe der römisch-katholischen Konfession darf vom Austrittswilligen nicht verlangt werden.“ Auf der Ebene des weltlichen Rechts liege deshalb selbst dann ein vollständiger und nicht bloss ein partieller Austritt vor, wenn der Austretende weiterhin der römisch-katholischen Weltkirche angehören wolle.

Vergleichbare Rechtslage wie in Deutschland
Laut den Erwägungen des Bundesgerichts bestünde damit in der Schweiz eine vergleichbare Rechtslage wie in den deutschen Bundesländern, in denen Kirchen öffentlich-rechtliche Körperschaften bildeten. Die massgeblichen Gesetze sähen für diese vor, dass die Mitglieder „mit bürgerlicher Wirkung“ aus der Kirche austreten könnten.

Bedingungen für den Kirchenaustritt
Der Austritt aus der staatskirchlichen Organisation dürfe nicht an Vorbehalte oder Bedingungen geknüpft werden, so die Richter, die Austrittserklärung müsse sich aber auf das gesamte religiöse Wirken der Kirche beziehen. Ein teilweiser Austritt, der sich zum Beispiel nur auf das soziale nicht aber auch auf das sakramentale Wirken der Kirche beziehe, müsse nicht gewährt werden.

Reaktion des Bistums Basel
Das Bundesgerichtsurteil argumentiere ausschliesslich aus der Sicht des Staates heisst es in einer Stellungnahme auf der Website des für den Kanton Luzern zuständigen Bistums Basel. Aus Sicht des Kirchenrechts stelle der Austritt aus der staatskirchlichen Körperschaft nicht gleichzeitig auch ein Austritt aus der Glaubensgemeinschaft dar, da besagte Person ausdrücklich Mitglied dieser Gemeinschaft habe bleiben wollen.

Auf Bistumsebene werde bis in zwei Monaten eine Regelung ausgearbeitet, wie mit solchen Kirchenaustritten verfahren werden soll, sagte Adrienne Suvada, Pressesprecherin des Bistums Basel im Gespräch mit Radio Vatikan. Obwohl jedes Bistum selbst entscheiden könne, würde sie eine Regelung auf nationaler Ebene bevorzugen.

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