Kirchenbund: Abzockerdebatte blendet Verteilungsgerechtigkeit aus

Bern/Schweiz | 07.02.2013 | APD | Schweiz

Reformierte Christinnen und Christen seien gegen Abzockerei sowie gegen das masslose und ungerechtfertigte Verschaffen von finanziellen Vorteilen, schreibt der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) in einer Medienmitteilung. Die Wirtschaft müsse auch den Schwächeren in der Gesellschaft angemessene Lebensbedingungen gewähren. Dies stellt der Kirchenbund in der am 7. Januar veröffentlichten Broschüre „Spitzenlöhne: Freiheit oder Provokation?“ fest. In zehn Fragen und Antworten äussert sich der Kirchenbund zur Debatte rund um die Eidgenössische Volksinitiative „gegen die Abzockerei“.

Auslöser für die Diskussion seien die hohen Löhne des Topmanagements vieler Unternehmen. Der soziale Zusammenhalt der Gesellschaft werde gefährdet, „wenn exzessive Spitzenlöhne von einem grossen Teil der Bevölkerung als unerträgliche Provokation empfunden werden“, stellt der Kirchenbund in seiner Broschüre fest.

Löhne in der Wirtschaft würden unter die Vertragsfreiheit fallen. Aber: „Freiheit ohne Verantwortung ist nicht möglich. Freiheit ohne Rücksicht zerstört sich selbst.“ Die heute bezahlten Spitzenlöhne seien nicht mit Leistungsgerechtigkeit zu begründen, so der Kirchenbund: „Auch der Grundsatz der Bedarfsgerechtigkeit leidet.“

Der Kirchenbund wiederhole seine schon vor mehreren Jahren aufgestellte Forderung nach einer Begrenzung der Spitzenlöhne des Managements im Verhältnis zum tiefsten Lohn im gleichen Unternehmen. Das rechte Mass für angemessene Vergütungen sei dann erfüllt, wenn die Lohnspannen von Werten abgeleitet würden, wie sie traditionellerweise in vielen Industrieländern bis zu den 1980er Jahren zu beobachten gewesen seien. Würden Löhne exponierter Manager und Verwaltungsräte betrachtet, scheine als Richtwert eine Spanne von maximal 1 zu 40 vertretbar zu sein. Würden durchschnittliche Löhne von Konzernleitungsmitgliedern und des Verwaltungsrats in Relation gesetzt, sei ein entsprechend tieferes Verhältnis anzustreben.

Die Initiative enthalte zwar wesentliche ethische Anliegen, führe aber durch ihre „sehr hohe Regelungsdichte“ nicht zu mehr Freiheit oder sozialer Gerechtigkeit. Der Eindruck, wonach die Gier von Einzelnen das alleinige Problem darstelle, sei zudem zu einfach, so der Kirchenbund: „Es braucht eine gerechte Verteilung von Einkommen, Ressourcen und Wohlstand insgesamt.“ Weder für die Initiative noch für den Gegenvorschlag scheine die Verteilungsgerechtigkeit jedoch ein Ziel zu sein.

Darin liege für den Kirchenbund „die Schwäche der aktuellen Diskussion über die Abzockerei“. Stattdessen müsse an den Rahmenbedingungen des Wirtschaftens angesetzt werden. Das Finanzsystem solle als globales öffentliches Gut geschützt und entwickelt werden. Internationale Steuergerechtigkeit und Nachhaltigkeitskriterien für öffentliche Ausgaben seien weitere Forderungen. „Dass der Kampf gegen Abzockerei ablenkt von diesen grossen, entscheidenden Herausforderungen, ist eine ernst zu nehmende Gefahr“, heisst es in der Broschüre des Kirchenbundes.

Hinweis: Die Broschüre „Spitzenlöhne: Freiheit oder Provokation“ kann kostenlos auf www.sek.ch heruntergeladen oder auch bestellt werden. Die "10 Fragen - 10 Antworten" sind auf der Internetseite www.10antworten.ch aufgeschaltet.

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