Grün-rote Landesregierung will freikirchlichen SWR-Rundfunkrat abschaffen

Stuttgart und Baden-Baden/Deutschland | 17.06.2013 | APD | Medien

Überraschendes Ergebnis des Zensus 2011: Über 800.000 Menschen in Baden-Württemberg gehören evangelischen Freikirchen oder orthodoxen Kirchen an. Darauf weist Alfred Mignon, Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche, hin.

Die Landesregierung von Baden-Württemberg hat im Mai den Entwurf des neuen SWR-Staatsvertrages beschlossen. Er sieht vor, dass die Freikirchen ihren Sitz im Rundfunkrat des Südwestrundfunks (SWR) verlieren sollen. Stattdessen erhalten Gewerkschaften und Vertreter von Naturschutz-, Islam- und Migrantenverbänden zusätzliche Sitze. Seit Gründung des Süddeutschen Rundfunks (SDR) nach dem 2. Weltkrieg, einer Vorgängeranstalt des heutigen SWR, verfügten die kleineren christlichen Glaubensgemeinschaften in dessen Rundfunkrat über eine eigenständige Vertretung, die 2015 enden solle, berichtete Mignon.

Vertreter zahlreicher Kirchen und Gemeinschaften hätten sich in den letzten Monaten an Ministerpräsident Winfried Kretschmann sowie an sein Staatsministerium gewandt und den Ausschluss der kleineren Kirchen aus der öffentlichen Mitverantwortung heftig kritisiert. Die umfangreichen Petitionen und Argumente hätten bei den Regierenden im Südweststaat jedoch kein Gehör gefunden. Adventisten, Alt-Katholiken, Baptisten und Brüdergemeinden, Freie evangelische Gemeinden, Methodisten, Neuapostolische, Orthodoxe sowie weitere kleine Kirchen beziehungsweise christliche Gemeinschaften seien künftig im SWR-Rundfunkrat ohne Stimme.

Vor Beginn der parlamentarischen Beratungen im Landtag bekämen die kleineren Kirchen laut Mignon jetzt unerwartete Unterstützung vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg. Am 31. Mai 2013 wurden die ersten Ergebnisse des Zensus 2011 veröffentlicht. Nach dieser „Volkszählung“ mit dem Stichtag 9. Mai 2011 lebten in Baden-Württemberg 839.000 Personen (8,1 Prozent der Bevölkerung), die nach den Zensus-Befragungen entweder ausdrücklich einer evangelischen Freikirche oder einer orthodoxen Kirche angehörten. Das sei in der Summe mehr als doppelt so hoch wie bisher angenommen, und auch eine deutlich grössere Zahl als die Werte für den Islam (549.000 Personen, 5,3 Prozent).

Der noch bis 2015 amtierende Vertreter der Freikirchen im SWR-Rundfunkrat, Bernd Friedrich, gehört zur Evangelisch-methodistischen Kirche. Er empfehle nun den Leitungsgremien der durch ihn repräsentierten Freikirchen und christlichen Gemeinschaften, beim Statistischen Landesamt Interesse an einer vertiefenden Sonderauswertung anzumelden. „Sie können selbst mit den Sachbearbeitern Frau Schaber und Herrn Athanassiou vom Statistischen Landesamt Kontakt aufnehmen und das Anliegen direkt unterstützen, da über die weitere Auswertung noch nicht abschliessend entschieden wurde.“ Sehr wahrscheinlich sei Baden-Württemberg das Bundesland mit den meisten Menschen, die sich in zahlreichen kleineren Kirchen und christlichen Gemeinschaften engagierten.

Vertreter der betroffenen kleineren Kirchen gingen, so Friedrich, jetzt mit der grün-roten Landesregierung offensiv ins Gericht, denn diese hätte die nun bekannt gewordenen Zahlen bei der Neuzusammensetzung des SWR-Rundfunkrats auch kennen und berücksichtigen können. Immerhin sei das Statistische Landesamt Baden-Württemberg eine Landesbehörde im Geschäftsbereich des Finanzministeriums. Tatsächlich werde nach zahlreichen Kontakten zu verschiedenen Abgeordneten befürchtet, dass eine Mischung aus Unkenntnis und nicht genau eingrenzbaren Vorurteilen gegen kleine und möglicherweise auch konservative Kirchen in den grün-roten Regierungsfraktionen bestehe, die eine andere Abwägung bisher nicht möglich gemacht habe.

Durch den Abbau der rund zwölf Doppel- und Mehrfachvertretungen im Rundfunkrat wäre eine weitere Berücksichtigung der Freikirchen sachlich ohne weiteres möglich gewesen, so Bernd Friedrich, der im Hauptberuf als Stellvertretender Landrat im Rems-Murr-Kreis tätig ist.

Die Freikirchen müssten ihre Hoffnung aber noch nicht ganz aufgeben, im Landtag eine Änderung des Regierungsentwurfs zum SWR-Staatsvertrag zu erreichen. Christliche Gemeinden könnten auf ihre örtlichen Landtagsabgeordneten zugehen und sie bitten, dem Vorhaben nicht zuzustimmen. Der Jurist und frühere freikirchliche Radiomacher Bernd Friedrich erläuterte, die Landesregierung setze für über 800.000 Menschen in den orthodoxen und freikirchlichen Gemeinden ein völlig falsches Signal gegen Bürgerbeteiligung, Ehrenamt sowie kleine Kirchen und christliche Gemeinschaften. Es spreche vieles dafür, dies im Gesetzgebungsverfahren zu korrigieren.

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